Der Sturm

Die Nacht ist ein einziger Fiebertraum. Ich treibe auf einem führerlosen Schiff über einen sturmgepeitschten Ozean. Es liegt quer zur Wellenrichtung, aus dem Rumpf höre ich das Stöhnen und Ächzen des Schiffsleibes bei jedem Anbranden der gewaltigen Wasserberge, die den Kahn mit leichter Hand auf ihren schaumgekrönten Kamm tragen, um ihn dann wie einen weggeworfenen Knochen ins nächste Tal hinab zu schleudern. Mir ist schlecht, das zusätzliche Schlingern verwirrt meine Sinne, als ich durch das Dunkel der Nacht das Grauen kommen sehe: Eine gigantische Welle, die mein sterbendes Schiff mit derart brachialer Wucht in die Höhe reisst, dass der gesamte Inhalt des Kombüsenschrankes, Teller, Pfannen, Bestecke, Gläser und diverses mehr, mit lauten Geschepper auf den Metallboden schlägt, um im nächsten Moment, als das Schiff in den tiefen Schlund des nächsten Wellentales stürzt, vor meinen Augen an die Decke fliegt, während das alles – mit mir – im freien Fall auf das Ende zusteuert.

Mit zappelnden Armen, einen Hilfeschrei auf den Lippen, erwache ich in meinem Bett, und höre noch den großen Deckel unserer Regenwassertonne im Garten gegen das Gartenhaus schlagen. Das Haus erbebt unter dem Anbranden einer Windböe von 146 Stundenkilometern, es scheint mir, als würde es angehoben, um im nächsten Moment mit einem erschütternden Krachen auf seine Grundfeste zurück geworfen zu werden. Verdammte Axt!

Ich springe auf und realisiere erst jetzt, dass ich tatsächlich eingeschlafen war, nachdem ich bis fast 3 Uhr in der Früh aufgrund des brüllenden Sturmes kein Auge schließen konnte. Die Nacht ist beendet.

Noch in der Dämmerung kämpfe ich mich gegen das Natur-Inferno an den Strandübergang Brandenburger Strasse, um das überkochende Meer zu sehen. Die maximalen Windgeschwindigkeiten erreichte der Orkan, wie so häufig, unmittelbar vor dem Hochwasser – und dieses liegt jetzt kaum eine Stunde zurück. Mit der einsetzenden Rückfront ist der Wind auf Nordwest gesprungen, und die Wolkendecke zeigt erste Lücken. Diese Situation zeigt das heutige Titel-Panorama.

Ich laufe, vom Rückenwind getrieben, Richtung Süden. Hunderte von Tonnen Sand hat der Sturm vom Strand auf die Promenade verfrachtet:

Die letzten Strandkörbe hatten eine harte Nacht:

Die Luft in geschwängert von Salz und Sand:

Den schönsten Moment zaubern die Elemente beim ersten Durchbrechen der Sonne. Ein wunderbar mildes Licht erhellt die heran brandenden Wellenkaskaden:

Wenn ich gefragt werde, was für mich die tiefst empfundenen Gefühle für meine Heimatinsel waren bzw. sind, dann sind das die Stimmungen in direktem Angesicht dieser über alle Maßen kraftstrotzenden Natur, die mich seit nunmehr 55 Jahren, als die Februarsturmflut 1962 über die Insel herein brach, immer wieder in einen kompletten Bann zu ziehen vermochten. So auch an diesem wahrlich atemberaubenden Morgen, der noch ne Menge weitere Fotos gebracht hat – die zeige ich morgen oder übermorgen, je nach Wetterlage.

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