Der süße Duft des Südens

Trotz der zum Beginn der Nacht noch hohen Temperaturen in meinem Caravan schlafe ich den Schlaf der Seeligen… Im Morgengrauen will ich doch mal schauen, ob der See noch da ist: WAS für ein schwangerer Duft, als ich vor die Türe trete! Süß und satt, alle mediterranen Gewürze haben sich hier versammelt – bei kompletter Calme, großes olfaktorisches Natur-Theater.

Über den Lago d’Iseo wurde erst vor einem Jahr viel gesprochen, als CHRISTO hier im Rahmen des Kunstprojekts “Floating Piers” zwei Inseln mit dem Festland verband. Die schwimmenden, rosafarbenen Piers bestanden nur 16 Tage – und es kamen mehr als eine Million Besucher. Auf die große der beiden Inseln blicken wir beim Titelbild.

Heute früh geht es vergleichsweise profan zu. Ich erwarte den italienischen Manfred Degen um 7:30 Uhr, bekomme noch einen herrlichen Cappuccino auf der Terrasse – und verabschiede mich:

Weiter geht’s! Kaum drei Minuten später befinde ich mich wieder in der Verkehrshölle  – die kann man nicht beschreiben, man muss diesen Irrsinn durchlitten haben.

Umso überraschter bin ich, als mein Navi mich nur wenige Kilometer hinter Iseo von der Hauptstrasse entführt: Ein Radweg durch das Franciacorta-Weingebiet, bis zum gut 30 km entfernten BRESCIA:

Da kommt gute Laune auf! Vorbei an Chateau-mäßigen Weingütern gehts über landwirtschaftliche Wege flink voran:

Ich fühle mich, nicht zuletzt aufgrund der gleichen Jahreszeit, auf diesem Teil der Strecke viel an meine letztjährige Pilgerwanderung nach Burgos erinnert…

Beeindruckend ist der Übergang der norditalienischen Tiefebene in die schroff ansteigenden Alpen. BRESCIA liegt genau am Fusse dieser gewaltigen Berge – manchmal reicht der Blick zwischen den tiefgestaffelten Hügeln bis zu den höchsten Graten, die schneebedeckt sind.

Die Ausschilderung bleibt auch hinter Brescia perfekt. So bin ich schon kurz nach 12 Uhr am Gardasee:

Die Sonne knallt gnadenlos. Da entdecke ich, in einem Ortsteil von LUGANA, dieses Kleinod, direkt am Seeufer. Ich rein:

Minuten später lasse ich mir die kühlende Seebrise um den überhitzten Kopf wehen – und zu der großen Mineralwasserflasche gibt es ein Gläschen LUGANA der prickelnden Art, er duftet nach der Landschaft, die ich eben durchfuhr.

Der Rummel am südlichen Gardasee-Ufer geht gar nicht. So bin ich froh, hinter PESCHIERA DEL GARDA ins Hinterland abzubiegen. Meinen Zielort RIVOLI VERONESE erreiche ich gegen 15:30 Uhr. Hier meine Unterkunft, direkt am Fahrradweg und dem Etsch-Kanal gelegen:

Der Chef des Hauses erkennt sofort meinen hohlwangigen Zustand (immerhin sind es wieder 105 km geworden, heute), und lässt es sich nicht nehmen, mir persönlich ein Abendessen zu kochen. Hier das Ergebnis, in dem weissen Zelt vorm Haus genossen:

Dazu gibt’s einen Valpolicella – in der Nachbarschaft gewachsen und gekeltert. Sämtliche zauberhaften Gewürze an Salat und der Pasta aus eigenem Garten – der Tag endet in einer mediterranen Duftorgie, und der Schlaf des Seeligen wartet bereits.

Morgen wird’s ein anstrengender Tag.

 

 

Kommentare (3)

  1. Christina

    Lieber Hans,
    So klingt Glueckseligkeit, ich bin ganz geplättet und begeistert ob dieser wunderbaren Reiseroute und des, wie immer, so so schönen Blogs . Ist es tatsächlich ein ganz anderes Reisen, wenn man nicht auf dem camino ist?
    Liebe Gruesse aus Irland,
    BS

    • Hans Jessel

      Es ist total(!) anders. Auch wenn mich viele Landschafts-Eindrücke an den Camino erinnern, so fehlt doch komplett der spirituelle Rahmen, irgendwie. Und die mir den ganzen Tag entgegen rasenden Mitradler-Rennfahrer tragen auch nicht gerade zur Kontemplation bei… auf dem Camino wandert die ganze Mannschaft in EINE Richtung! 😉 Wie sich das gehört.

  2. Yvonne Lagoni

    Huhu El Hansemanno,
    ich habe gewählt, mein “Foto der Woche”. Mich hat das Kunstprojekt von Christo fasziniert, wäre gerne dort gewesen – undenkbar damals. Umso schöner, Deine Sicht auf den See teilen zu dürfen. Knapp dahinter das Foto von Dir in Boxer-Shorts 🙂 Hihi. Ahnte ich es doch, Du bist unterwegs, seit knapp einer Woche, schätze ich mal. Und wieder ist es so, als reise man mit. Deine so wunderbaren Schilderungen geben mir unverändert das Gefühl, dabei zu sein. Wie machst Du all das bloß? Die Route Tag täglich und dann am Abend Dein Blog. Und was für ein Blog! Pure Bewunderung! Ganz besonders finde ich Deine Begegnungen mit den Menschen, sie erscheinen mir so unglaublich schön und sicher sehr bereichernd, jede auf ihre Weise. Hab weiterhin eine unvergeßliche Tour.
    Aus dem sonnigen Hamburch grüßt Wonni

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert