26. Oktober: Eine Heimreise durch Deutschland

Bereits vor drei Tagen erhielt ich eine Mail der DB, dass meine gebuchte Rückfahrt über Basel und Frankfurt „ausfällt“. Ich möge mir eine andere Verbindung auswählen, meine Zugbindung wäre aufgehoben.

Nun interessierte mich ja doch, was der Grund für den Ausfall sei. Nach einigen Recherchen erfahre ich, dass eine Bombenentschärfung im Raume Rastatt nahezu den gesamten Oberrhein-Zugverkehr lahmlegt, über mehrere Tage. Hmmm.

Blieb also nur die Alternativroute über Bregenz und München. Ich ziehe die Abfahrtzeit etwas vor, von 9 auf 8 Uhr…. fahre im herbstlichen Morgenlicht los. Vorbei an Tiefencastel (siehe heutiger Titel) und dem pittoresken Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein bei Reichenau…:

Ich steige insgesamt viermal um: Im österreichischen BREGENZ  in den schnittigen EC der SBB, mit dem ich bei LINDAU Deutschland erreiche – incl. freiem Blick auf den Bodensee:

Wir stoppen in LINDAU-REUTHIN, keine fünf Minuten von der Grenze entfernt. Und bleiben stehen… Nach etwa 10 Minuten lauschen wir der Durchsage: „Wir haben ein Problem, wir finden keinen Lokführer! Bitte etwas Geduld, wir versuchen, einen zu finden…“. Nichts leichter als das, so Sonntagsvormittags zur Kirchzeit. Der ganze Waggon gröhlt und applaudiert.

Nach weiteren 10 Minuten dann die Durchsage: „Wir suchen weiter… aber sollte jemand im Zug sein, der Interesse an einer Lokführerausbildung hat, möge der sich gerne melden. Sie merken ja, wir können noch welche gebrauchen…“ Der Waggon, zu mindestens 50% mit Schweizern, Österreichern, Italienern und Diversen gefüllt, tobt.

Dem Bahn-Manager in mir kommt spontan die Idee, Abenteuer-Touren durch Deutschland „für Ausländer“ anzubieten, frei nach dem Motto: „DB-Erlebnistour durch Deutschland – niemand weiß, wo er abfährt, wo er ankommt und was passiert“ oder so, Ihr wisst schon. Das könnte man/frau sicher noch eleganter formulieren… vielleicht mal Anke Engelke fragen?

Nach einer dreiviertel Stunde wird unser zu 95% belegter EC evakuiert. Mehrere hundert Leute quellen auf den zugigen Bahnsteig. Wir sollen den nächsten Zug nehmen, der in 75 Minuten kommt. Meiner Bahn-App entnehme ich, dass dieser bereits seit Zürich komplett überbelegt ist. Was das bedeutet hier am Lindauer Bahnhof, will ich mir gar nicht vorstellen.

Lange Bahnreisen seit fast 50 Jahren haben mich gelehrt, in solchen Situationen dringend und entschlossen kreativ zu werden. So entdecke ich nach kurzer Recherche einen kleinen Schienenbus, der nach MEMMINGEN fährt. Den nehme ich, bevor es jemand anderes merkt. Und bin offenbar wirklich der einzige…mein Waggon ist nämlich leer, anderthalb Stunden Ruhe – herrlich.

Dort angekommen, auf etwa der halben Strecke nach München, erwarte ich dann den Schweizer EC, in dem sich das Chaos bis dahin beruhigt haben sollte… und dass es tatsächlich auch keinen Stehplatz mehr gibt, das wäre schon echt selten.

Die pünktliche Annoncierung des Zuges auf den Bahnhofsanzeigen in Memmingen macht Hoffnung. Allerdings ist auch eine viertel Stunde nach Verstreichen dieser Uhrzeit kein Zug in Sicht. Fünf Minuten später verschwindet der EC völlig von der Anzeige. Keine Durchsage. Weitere zehn Minuten später gehen die ersten Reisenden ins warme Bahnhofscafé, bzw. um im Bahnhofsgebäude jemanden zu finden, der mal kurz erklärt, was eigentlich los ist. Da mich das ebenfalls mächtig interessiert, will ich auch mal schauen… und sehe geraaaade noch in der Drehtür, dass – ohne jegliche Ankündigung – ein Zug mit Schmackes in Gleis 1 einfährt. Das isser! Ich gleich aus der Drehtür  wieder raus, hinter mir höre ich das Geschepper der Kaffeetassen der anderen Reisewilligen, die diesen Zug schon gar nicht mehr erwartet hatten.

Dabei wäre eigentlich keine Eile vonnöten gewesen, denn der nun  superproppevolle Zug fährt gar nicht sofort ab, sondern bleibt erstmal  noch satte 20 Minuten stehen. Um es kurz zu machen: Ich erreiche München nach viereinhalb anstatt nach zwei Stunden.

Immerhin erwische ich noch geraaade den 15:59er ICE nach HAMBURG-ALTONA. Dieser ist auch proppevoll, aber nicht in der 1. Klasse. Mit dem passenden Getränk und guter Lektüre lässt es sich aushalten…:

Und dort treffe ich tatsächlich um kurz nach 23 Uhr ein, mit knapp vierstündiger Verspätung.

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