Das Leben – ein Ponyhof?

Mitnichten! Einen Aufenthalt in einem Caravan auf dem “Campeggio Pilzone” muss man sich, von Bellano kommend, hart erarbeiten…

Aber fangen wir von vorne an: Ich verlasse Bellano kurz vor 9 Uhr – hier ein Blick zurück auf diesen sympathischen Ort:

Da bimmelt mein Handy. Ne WhatsApp von Sonia, der reizenden, ca. 35-jährigen Chefin vom Poggio Solivo, die bei mir ohnehin ein Stein im Brett hat wegen des Weines gestern abend – und sich beim Frühstück als italienisches Ebenbild von Anke Engelke präsentiert. Da wird selbst der verstockte Friese schon mal geschmeidig. Naja sie schreibt, es sei ja nett gewesen, und es wäre schön, wenn ich mal wieder käme. DAS würde ich mal als vollendete Gastfreundschaft werten, zumal sie mir pünktlich um 8 Uhr, wie gewünscht, ein Frühstück der absolut unitalienischen Art offeriert, und zwar mit frischem Bananen, Apfelsinen, Joghurt etc. pp.. Top-frische Croissants mit Schinken/Käse und frisch gepresstem Pampelmusensaft sowieso. Als ich nur noch staune, höre ich aus ihrer  Antwort sowas raus wie “Alpi traversi” oder so, was wohl bedeuten soll, dass ich nach diesem Frühstück locker über die Alpen kommen müsste. Woher weiss sie DAS denn nun schon wieder!? Sollte ich damit angegeben haben? 😉 Ich fürchte, wir werden es nie erfahren… 🙁

Aber Bellano, und im Speziellen das “B&B Poggio Solivo”, sind eine Reise wert – und vielleicht mieten WIR (also die eifrigsten Blog-Gourmets!) uns da mal für ein paar Tage ein!? Das kann ich mir ja schon mal zum 70. wünschen…

Aber ich schweife ab. Die Strassenverhältnisse am Ufer des Comer Sees und insbesondere auf den letzten 20 km vor BERGAMO sind “prekär” – so sagt man/frau wohl heute. Ich fühle mich an schlimmste Vorkommnisse auf meiner Liegerad-Sylt-Santiago de Compostela-Tour erinnert. Komplett brüllender Schwerlast-Verkehr, und in den pausenlosen Kreiseln herrscht der jeweils Stärkere. Ein vorsichtiger Mensch hätte heute die Hälfte der Strecke geschoben. Ein Lastwagen erwischt mit um Haaaresbreite mit seinem Ausleger ( weil er mich gerade überholte, just in DEM Moment aber ein anderer Laster um die Ecke geschossen kommt ), denn die Strassen sind auch durchgängig viel zu eng für diese Kolosse. Sehr gewöhnungsbedürftig auch die Motorroller und -räder, die wie zum Spaß im Slalom durch das ohnehin schon unüberschaubare Strassen-Chaos flitzen. Italien eben – aber andererseits fahren überall Rennradler rum, die das ganze Trara nicht zu stören scheint, und die ja ebenfalls noch leben, so wie ich hier auf dem Campeggio Pilzone in Angesicht des Lago Iseo. *freu*

Jedenfalls erreiche ich Bergamo um 12:30 Uhr, im Volksmund auch “Mittagszeit” genannt. Ich träume schon seit Stunden von einem schattigen Terrassen-Restaurant und finde dieses punktgenau in der “Cittá Alta”, was nicht etwa “Altstadt” heisst, sondern, glaube ich, eher “Hohe Stadt”: Die Altstadt von Bergamo befindet sich nämlich, echt Helgoland-mäßig, auf einem schroffen Hügel – es führt sogar ein Aufzug herauf, wie ich leider erst bei der Abfahrt registriere. Um hoch zu kommen, benutze ich erstmals auf dieser Tour die “Sport”-Einstellung meines eBikes. Die Alternative wäre gnadenloses Schieben  gewesen. Jedenfalls lande ich am pittoresken Marktplatz und lasse mich im optisch am meisten ansprechenden Restaurant auf dem schattigsten Platz nieder:

There we are! Mein Fahrrad, so ziemlich das beste der Welt, lasse ich never aus den Augen… siehe gelbe Radtasche rechts.  Drüben aus dem Funicolare ergiesst sich enagierte Live-Musik über den Platz, die Stimmung ist mediterran-relaxed, ich bin aus der Sonne raus… warum ich mir jedoch zum Essen ein WASSER bestelle, begreife ich bis jetzt nicht. Jedenfalls kam der hochgradig erfreuliche superkühle Weißwein nur Sekunden nach diesem Foto – ich schwör’s!

Die hausgemachten Tortellini werde ich bis zu meinem Lebensende nicht vergessen – prego!

Es liegen noch gute 40 km vor mir, und die Sonne knallt. Na toll, ich wollte es ja so. Bei der Ausfahrt aus Bergamo verfranse ich mich mehrmals, denn meinem Handy, und damit dem treuen Navi, geht die Puste aus, und ich mache es nur noch alle paar Kilometer an, wenn ich überhaupt nicht mehr weiß, wo ich bin.

So erreiche ich Pilzone, und den gleichnamigen Campeggio, auch erst um nach 16 Uhr, und nach immerhin 114 absolvierten Kilometern, davon mindestens 80 km unter Kamikaze-Bedingungen.

Das Titelbild zeigt mich übrigens nach dem verdienten Bad im See, der zu meiner Verblüffung schon mindestens 18 Grad hat.

Ich schreibe diese Zeilen vor meinem Caravan. Und zur Belohnung hole ich jetzt die gestern abend übrig gebliebene halbe Flasche von Sonia aus der Kühlung und stoße – virtuell – mit Euch an. “Salute!” schallt es über die Alpen vom Iseo See.

Nachtrag: Als ich an der Rezeption des Campingplatzes vorfahre, tritt mir das italienische Pendant von Manfred Degen entgegen und sagt, auf Englisch, “Hello, you are Mr. Jessel, I think. Come, and sit down!” Und ich bekomme einen Cappuccino und ein großes Mineralwasser aufs Haus. Ich sah wohl etwas fertig aus…

 

 

Kommentar (1)

  1. Eine tolle Idee, Deinen 70. Geburtstag in Bellano zu feiern – hoffentlich vergessen wir das bis dahin nicht ……….. Die Wirtin freut sich bestimmt!
    Die Fotos sind – wie immer – total schön. Bin gespannt, wie es morgen weitergeht. Und denk dran – immer schon alles aufladen: Irgendwo wartet bestimmt noch ein großes Gewerbegebiet……

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