Ich habe dieses Foto gerade im Kasten, als ich bemerke, dass jemand versucht hat, mich viermal telefonisch zu erreichen. Hmmm. Scheint ja was Wichtiges zu sein. Es ist 7:15 Uhr am Morgen, und es ist eine bulgarische Nummer. Da bimmelt‘s wieder. Es ist der Rezeptionist meines Hotels, der mir nicht ohne Bedauern mitteilt, dass er im Eifer des frühen Auscheckens vergessen hat, mir meinen Pass wieder auszuhändigen. Alter Finne, jetzt wird’s eng. Mein Bus geht in 30 Minuten, und ich kriege den nur, wenn ich hier und jetzt und sofort einen 10 Minuten Sprint hinlege, zurück zum Hotel. Klar, mit(!) Rucksack. Ich rufe mir ins Gedächtnis, was doch gleich die Würze einer spontan in den Südosten Europas angelegten Individualreise ist – und aff geit datt. Etwas kurzatmig, als ich an der Rezeption um meinen Pass bitte, aber weil mir das jetzt in den zurück liegenden drei Jahren bereits zum dritten Mal passiert ist, will ich es mal als notwendige Lehre verbuchen.
Der Bus ab Sofia hat sowieso Verspätung. Und die Gepäckverladung der werten Mitreisenden dauert auch. Es soll nach BURGAS gehen, das Fischereizentrum ganz im Süden der Schwarzmeerküste, immerhin 390 km entfernt von der Hauptstadt. Die Busfahrt soll etwas über fünf Stunden dauern:
Datt wird nix. Zunächst einmal rührt der Fahrer geschlagene fünf Minuten in den Gängen herum, bis der Rückwärtsgang endlich einklinkt, dann würgt er das Teil mehrmals ab, dann klappt‘s ebenso wenig mit dem ersten Vorwärtsgang, dann müssen Fahrgäste noch ihre Tickets vom Counter holen. Wir verlassen den Zentralen Busbahnhof mit strammen 20 Minuten Verspätung… und geraten stantepé in die Sofioter Rush hour, die uns erst nach weiteren 45 Minuten aus ihren Krallen lässt.
Kurz vor dem einzigen Zwischenstopp in Stara Zagora lässt sich der murrige Busfahrer von einer rassigen Mitfahrerin zu einer kurzen Pinkelpause überreden. Wir halten außerplanmäßig an einer Autobahn-Tankstelle, und nahezu die Gesamtbelegschaft des Busses strömt innerhalb von Sekunden an dem mit der Situation überforderten und wohl deshalb rumkeifenden Fahrer vorbei und findet sich im Folgenden rauchend und palavernd auf dem Parkplatz wieder, was die Fahrt um weitere 30 Minuten verlängern wird.
Halt! Ich hatte noch die Polizeikontrolle vergessen: Unglückseligerweise bitten die aufmerksamen Schupos den Fahrer, den Bus doch noch etwas im Rückwärtsgang(!) vom Autobahn Standstreifen Richtung Parkplatz zu manövrieren. Dem Fahrer stehen die Schweissperlen auf der Stirn. Nach einigen Minuten des Getrieberührens (besser als in jedem Stan & Ollie – Film!) mit den grübelnden Polizisten in seinem Nacken ist er fällig: Aufnahme der Personalien in der Grünen Minna! Herrlich! Euer Blogger ist begeistert!
Liebe Blog-Freunde, das Alles bekomme ich hier für 12,83 Euronen! Soviel kostet die Fahrkarte von Sofia nach Burgas nämlich. Dazu € 24,99 für das Flugticket Hamburg – Sofia und € 23,05 für die Zugfahrkarte von Westerland bis zum Airport. Trotzdem sind diese Preziosen menschlicher (und mechanischer) Unzulänglichkeit nicht der Grund meines Hierseins, sondern – und nun sind die Blogleser der ersten Stunde gefordert – treffe ich hier einen „Alten Bekannten“ wieder:
Ja – es ist Peter! Im Mai war er auf Sylt, danach begann er seine Faltrad-Tour, beginnend auf den Shetland-Inseln. You remember? Allerdings endete diese Tour, die eigentlich bis mindestens Dover gehen sollte, recht abrupt in den schottischen Highlands – aufgrund eines Bruchs des Faltgelenks an seinem Rad. Abbruch der Tour in Inverness.
Aber das sollte es nun nicht gewesen sein. Peter lebt mittlerweile in Burgas und macht in seiner selbst renovierten Wohnung einen verdammt glücklichen Eindruck:
Dieses Bild trägt den Titel: Zweieinhalb Liter Bier für einen Euro. Ausrufezeichen.
Sorry, aber kurz noch der Blick auf Burgas (im Hintergrund) aus Peters Wohnung:
Nun muss ich schließen für heute. Das Essen ist fertig.
Nachtrag: Das Abendessen über den Dächern von Burgas: