11. November: Über die „Luzidität der Einsamkeit“…

… sagt das heutige Titelbild, oberflächlich betrachtet, erstmal wenig aus, es fand sich grad’ kein passenderes. Trotzdem soll es um dieses Thema gehen…

Meine Reise mit Paul Theroux – per Bahn von Boston nach Patagonien – lohnt sich für mich in verschiedenster Hinsicht: Zum Einen ist Mr. Theroux mir bereits Ende der 1970er Jahre über den Weg gelaufen, als ich während meines oberöden Agrarwissenschaftsstudiums davon träumte, Reiseschriftsteller zu werden. Dass ich zur gleichen Zeit auch überlegte, mein Dasein als Jurist, Pastor oder Psychoanalytiker zu fristen, vergesst Ihr mal schnell wieder, aber die Sache mit dem Reiseschriftsteller, die blieb doch länger. Natürlich, wie das bei Träumen so ist, ohne mal darüber nachzudenken, welche Fähigkeiten denn vonnöten wären, um in dem Job über Wasser zu bleiben bzw. die Wasseroberfläche überhaupt zu erreichen, klar. Seit Henry Miller mir den Floh ins Ohr gesetzt hatte, man bräuchte in Paris nur das passende Pissoir mit Ausblick zu finden, und schooon würden die Gedanken nur so fließen, machte ich mir über derlei Nebensächlichkeiten wie umfangreiche Fremdsprachenkenntnisse, fundiertes geschichtliches und kulturelles Wissen und die unbedingte Lust, auf Menschen zuzugehen anstatt vor diesen zu fliehen, keine größeren Gedanken. Ich spürte, angeregt durch mehrere Interrail-Reisen durch Europa, ein ausgeprägtes Fernweh und meinte, dieses der Welt mitteilen zu müssen. Aber ich schweife ab…

Paul Theroux besitzt diese Fähigkeiten. Er gehört in dem Genre zu den Großen in dieser Welt, sogar seine Leidenschaft zum Bahnfahren übertrifft meine bei weitem, und er besitzt mehr Forscherdrang und ein enzyklopädisches Wissen, was seine Epigonen angeht – Gullivers Reisen lassen grüßen – die ja im Ursprung etwas ganz anderes ausdrücken wollten als das letztlich weltweit bekanntgewordene Kinderbuch. Eine zynische Gesellschaftskritik nämlich, und das vor 300 Jahren!

Eine Bahnfahrt über fast 600 Seiten zu beschreiben, ist ein Kunststück, das nur wenige beherrschen. Gefragt ist viiieeel Leichtigkeit, jede Menge Kurzweiligkeit – und ein durchaus auch mal abgründiger Humor. Am Panamakanal in einem Leichenschauhaus zu stehen und plötzlich festzustellen, darin der einzige Mensch zu sein… der lebt – das verlangt auch einen Hang zur Skurilität, die ich an ihm sehr schätze.

Egal – vor zwei Tagen stolperte ich über einen Absatz, der mich besonders in den Bann zog. Auch in meinem neuen Sylt-Buch beschreibe ich mehrfach, daß ich grundsätzlich alleine unterwegs sein muss, wenn es auf die Fotopirsch geht – was ich bisher auf mein introvertiertes Wesen zurückgeführt habe. Nun lese ich, wie es Paul Theroux geht – im Angesicht  eines pausenlos sabbelnden Zeitgenossen im Zug neben ihm:

Die „Luzidität der Einsamkeit“ – darauf muss man erstmal kommen,

Auf mich gemünzt: „Die Schwierigkeit, so zu empfinden, wie es für das Fotografieren nötig ist“ Yeah!

“Nicht Ablenkung, sondern Entdeckungen“, darum geht’s doch!

“Reisen sind keine Ferien“ – wie wahr! Schon gar nicht, wenn man noch drüber schreiben will/soll.

“Die Erfahrung der eigenen Gesellschaft“ Damit haben wohl die Allermeisten Probleme.

Morgen mehr…

 

 

 

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