15. Oktober: Ein Sylt-Abschied am Morgen

Gegen 4 Uhr in der Frühe die gleiche Nummer wie gestern: Ein Graupelschauer der Extraklasse trommelt auf die nach Westen gehenden Schlafzimmerfenster. Aber heute stecke ich den Kopf unter die Decke und schaffe es tatsächlich, noch bis 6:30 Uhr auszuschlafen…

Der Wind hat in keiner Weise nachgelassen. Als ich zur Sonnenaufgangszeit mit dem Rad über die Promenade fahre, werde ich aufgrund der extremen Scherwinde (ggf. bei Google schauen) hinter der neuen Ufermauer mehrmals fast aus der Bahn gehoben. Südlich des Hotels Miramar herrscht ein derartiger Sandflug, daß ich mir einen erhöhten Standpunkt suchen muss, um überhaupt gucken zu können. Von dort werde ich Zeuge der wirklich anrührenden Szene des heutigen Titelbilds, in der die Mutter versucht, ihrer Tochter den heute bevorstehenden Abschied von der Insel zumindest etwas schmackhafter zu machen – was jedoch in der Zeit meines Dortseins nicht gelingt. Sie will einfach bleiben, und findet Wind und Sturm und Regen und Sandflug und Salz auf den Lippen viiieeel schöner als das öde Detmold. Nur der Hund dreht sich gelegentlich zu mir um, und ist heil(!)froh, endlich die Fliege zu machen von dieser Teufelsinsel, die einem den Sand nicht nur in die Augen, sondern – noch viel schlimmer – pfundweise in die Ohren treibt, kaum auszuhalten!

Etwas emotionalisiert verlasse ich das bis zum Schluss ungelöste Problem, und sehe ein paar Meter weiter, daß der ISTS es immerhin zustande gekriegt hat, das komplette Strandmobiliar rechtzeitig aus der Sturmflutzone zu transportieren. Das haben wir auch schon anders erlebt:

Ansonsten bahnt sich ein abermals spannender Fotovormittag an. In schneller Folge peitschen Regen- und Graupelschauer über den Strand, was die wackeren Eltern vom Mütter-Kind-Kurheim nicht davon abhält, sich mit ihren Sprösslingen den weiterhin wilden Elementen zu stellen:

Die Promenade in Richtung Seenotstelle ist innerhalb der letzten 20 Stunden schlichtweg verschwunden. Ich muss sofort an meine Winterwanderung zum Cavloc-See im Oberengadin im Januar dieses Jahres (siehe Blogbericht) denken. Dort sah es ähnlich aus, nur waren es Schneewehen, die ganze Bänke unter sich begruben:

Immer noch melancholisch drauf, vergesse ich nicht, die über den Himmel rasenden Wolken zu beobachten, um „zur rechten Zeit am richtigen Platz“ zu stehen – für ein Kalenderfoto:

… bis dann diese großartige Wolke kommt, und ich den kleinen Jungen sehe, der da so mutig den Elementen entgegen läuft. Und sehe nun plötzlich mich, im Alter zwischen 10 und 12 Jahren, als ich stets morgens vor der Schule meine Sandburg höher schaufelte, um sie vor dem Untergang zu bewahren. Und werde noch melancholischer. Denn die Natur war immer mein bester Freund, und ihr nahe zu sein war immer das Größte.

Das ist so geblieben, bis heute. *schluchz*

 

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