18. Juni: Die versprochene Engadin – Nachlese

Ich muss lange überlegen, will ich mich an eine Reise erinnern, die derart nachdrückliche Eindrücke hinterließ. Ich laufe hier am Strand entlang und habe immer noch diesen zauberhaften Anstieg zum Costainas-Pass vor Augen, und dann diese unfassbar bunten Alpenblumenwiesen… naturgeschützte, seltene Pflanzen zu Tausenden – wie eingraviert ins Gehirn sind mir diese Bilder.

Angelika Overath schreibt in ihrem lesenswerten Buch „Gebrauchsanweisung für das Engadin“, daß diese Hochgebirgs-Landschaft „religiöse Gefühle“ auszulösen vermag. Die Erhabenheit der Berge mit ihren vereisten oder zumindest schneebepuderten Graten, die dazu maximal kontrastierenden Wiesen, die „Sauberkeit“ der Landschaft mit nur geringsten menschlichen Einflüssen – das ist für Menschen wie mich ein Eingangstor ins Paradies. Denn die Auseinandersetzung mit dem Sublimen und der Schönheit, das ist schließlich mein Lebensthema. Und deshalb möchte ich natürlich mehr davon. Erste Planungen gibt es bereits…

Wieder zeigt sich auch, daß eine Weit-bzw. Streckenwanderung eine bestmögliche Auseinandersetzung mit der Landschaft … und sich selbst… forciert. Um Letzteres kommt man gar nicht drum herum. Und wenn  ich vorher gewusst hätte, wie gut ich am Ende meiner Tagesetappen jeweils hätte unterkommen können, hätte ich auch kein festes Hotel gewählt. Andererseits dienten mir die langen Rücktouren per Postauto (Bus) und Bahn aber ja auch dazu, das Unterengadin besser kennenzulernen, war ich die letzten Male doch stets im Oberengadin unterwegs.

Wenn ich auf meinen Wanderungen auf Menschen traf, war es stets mein Bestreben, das Gespräch zu suchen. Und erlebte die Schweizer (es waren tatsächlich ausschließlich Schweizer, mit denen ich sprach…) einmal mehr als wohltuend höflich, um das Wort bedacht und entspannend unaufgeregte Zeitgenossen, die ihr Land und diese Landschaft wirklich schätzen. Auch von behördlicher Seite ist man sich des Schatzes bewusst, den man auch dementsprechend schützen möchte. Würde es doch endlich auch bei uns ein komplettes(!) Hundeverbot im Nationalpark Wattenmeer geben – wie im Schweizerischen Nationalpark. Und am Strand gleich dazu! Dann würde sofort auch die Brutvogelwelt profitieren, wie es sich ja bereits innerhalb der „Strandinseln“ zeigt, die in jüngster Zeit an entlegeneren Strandabschnitten Sylts eingerichtet wurden.

Ein entzückendes Erlebnis bekam ich bei einer Postauto-Fahrt serviert: Eine Gruppe von ca. 15 Schüler*Innen im Alter von 8-9 Jahren stürmt den Bus und alle plabbern in der drauffolgenden Viertelstunde um mich herum in fließendem Rätoromanisch. Tja, obwohl nahezu ausschließlich im Kanton Graubünden gesprochen, wurde das Rätoromanische zur vierten offiziellen Landessprache(!) erhoben. In Graubündner Kindergärten und Grundschulen wird in Rätoromanisch unterrichtet. So erhält man eine der ältesten Sprachen im Europäischen Kulturraum. Kein Wunder, daß sich portugiesische „Gastarbeiter“ in Graubünden schon immer besonders wohl fühlten: Die konnten sich mit den Einheimischen innerhalb kürzester Zeit verständigen, ist doch das Rätoromanische eine der Ursprachen – auch des Portugiesischen. Und des Italienischen, Spanischen etc. pp..

Die Gesamtkosten dieser insgesamt achttägigen Reise betrugen knapp über eintausend Euro, alles eingerechnet. Das ist nicht wenig, aber für das, was mir geboten wurde, weit mehr als okay.

Wer nicht fliegen möchte, aber einen „Tapetenwechsel“ sucht, dem kann ich die Schweiz als Reiseland unbedingt empfehlen.

Kommentare (2)

  1. Guido Bongard

    Sehr schöne Bilder, Herr Jessel!
    Als Fan von Sylt und der (v.a. romanischen) Schweiz, erlaube ich mir zu fragen, wo das obere, größere Bild aufgenommen wurde.
    Freundliche Grüße !

    • Hans Jessel

      Moin Herr Bongard,

      das Titelbild ist ein Blick durch die „untersten“ Häuser von FTAN auf die Berge jenseits des Inns.

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