Beim Heraustreten aus der Bahnhofshalle Santa Lucia trifft mich doch etwas der Schlag: Eine Stadt ohne Autos hatte ich mir in erster Linie mal ‚ruhig‘ vorgestellt, sofern eine Stadt zu dieser Leistung überhaupt fähig ist. Aber das mit ohrenbetäubendem ‚TATÜÜÜTATAAAAH‘ vorbeirasende AMBULANZA-Schnellboot erinnert mich doch eher an vorherrschende Geräuschspektren in New York, Berlin oder Paris.
Meine Bahnfahrt endet hier. Alles verlief planmäßig… auch der Zug von München bringt mich pünktlich bis Verona, das ich um 13 Uhr erreiche. Doch wegen eines gerade beginnenden Eisenbahnerstreiks scheint hier – zunächst – Schluß zu sein mit der idyllischen Reiserei. Bis ich auf einer digitalen Anzeige sehe, daß ein EC, aus Zürich kommend, doch noch weiterfahren soll. Ich also im Sprint zum Bahnsteig 4, und nur Minuten später geht’s ab nach VENEEEDIG, dem Ziel meiner Reise.
Wenn ich gestern vollmundig von dieser autofreien Stadt parlierte, so muß ich einschränkend sagen: Autofreie ALTstadt! Während Venedig mit gut 250.000 Einwohnern etwa die Größe Kiels erreicht, tummeln sich auf der Altstadtinsel gerade noch 50.000 dort lebende Menschen… es waren vor wenigen Jahrzehnten noch 150.000! Aber der exorbitante Tourismus, der sogar in weltweitem Maßstab seinesgleichen sucht, vertreibt die Venezier in die (auf den ersten Blick spektakulär hässlichen) festländischen Stadtbezirke und Vororte.
Mein Hotel findet sich – nach kurzer Vaporettofahrt mit wehendem Haar wie Commissario Brunetti – im Stadtteil Dorsoduro direkt an der Promenade:
Von hier aus starte ich nach kurzem Stopp gegen 16 Uhr zu einer ersten Erkundungstour. Um diese Uhrzeit sammeln sich die Menschen, sowohl Einwohner als auch Touristen, gerne auf den sonnenüberfluteten Gestaden am südlichen Stadtufer – eine wunderbar entspannte und erwärmende Atmo herrscht hier:
Kilometerweit kann man hier bummeln, das beste Eis der Welt genießen, und postkartenwürdige Stimmungen ohne Ende genießen:
Und der Sonnenuntergang über dieser atemberaubenden Natur-/Kulturlandschaft berührt auch mich zutiefst, der ich ja aus einer ganz ähnlich flachen Landschaft stamme, die allerdings in keiner Weise diesen tiefen kulturellen Hintergrund besitzt:
Venedig zählte im 15./16. Jahrhundert neben Paris und Neapel zu den führenden Metropolen Europas – das sollte sich der Reisende verinnerlichen, der eisschleckender Weise die „Fondamentes“ entlangschlendert und Vergleiche mit der Heimat anstellt. Beim anschließenden Bummel durch die Gassen und über unzählige Brücken…:
… kann der Flaneur nur staunen über ganze Hundertschaften architektonischer Highlights, egal ob religiös…:
… oder eher wirtschaftlich motiviert:
Und ich treffe auch jemanden. Nämlich Birte, unsere Sylter „Merret reicht‘s“- Chefin, die den gesamten November in Venedig verbringt, um mal ein wenig Abstand zu gewinnen von den anstrengenden Sylter Querelen – und sicher auch, um, wie ich, zu schauen, wie es an anderen Orten so läuft, die von allzu vielen Touristen drangsaliert werden:
Nachtrag: Heute früh erreicht mich nachfolgender Newsletter von Birte, die auch in Venedig für unsere Heimatinsel tätig ist. Aus aktuellem Anlass möchte ich Euch diese nicht vorenthalten: