5. November: Sonne über…!

Beim Heraustreten aus der Bahnhofshalle Santa Lucia trifft mich doch etwas der Schlag: Eine Stadt ohne Autos hatte ich mir in erster Linie mal ‚ruhig‘ vorgestellt, sofern eine Stadt zu dieser Leistung überhaupt fähig ist. Aber das mit ohrenbetäubendem ‚TATÜÜÜTATAAAAH‘ vorbeirasende AMBULANZA-Schnellboot erinnert mich doch eher an vorherrschende Geräuschspektren in New York, Berlin oder Paris.

Meine Bahnfahrt endet hier. Alles verlief planmäßig… auch der Zug von München bringt mich pünktlich bis Verona, das ich um 13 Uhr erreiche. Doch wegen eines gerade beginnenden Eisenbahnerstreiks scheint hier – zunächst – Schluß zu sein mit der idyllischen Reiserei. Bis ich auf einer digitalen Anzeige sehe, daß ein EC, aus Zürich kommend, doch noch weiterfahren soll. Ich also im Sprint zum Bahnsteig 4, und nur Minuten später geht’s ab nach VENEEEDIG, dem Ziel meiner Reise.

Wenn ich gestern vollmundig von dieser autofreien Stadt parlierte, so muß ich einschränkend sagen: Autofreie ALTstadt! Während Venedig mit gut 250.000 Einwohnern etwa die Größe Kiels erreicht, tummeln sich auf der Altstadtinsel gerade noch 50.000 dort lebende Menschen… es waren vor wenigen Jahrzehnten noch 150.000! Aber der exorbitante Tourismus, der sogar in weltweitem Maßstab seinesgleichen sucht, vertreibt die Venezier in die (auf den ersten Blick spektakulär hässlichen) festländischen Stadtbezirke und Vororte.

Mein Hotel findet sich – nach kurzer Vaporettofahrt mit wehendem Haar wie Commissario Brunetti – im Stadtteil Dorsoduro direkt an der Promenade:

Von hier aus starte ich nach kurzem Stopp gegen 16 Uhr zu einer ersten Erkundungstour. Um diese Uhrzeit sammeln sich die Menschen, sowohl Einwohner als auch Touristen, gerne auf den sonnenüberfluteten Gestaden am südlichen Stadtufer – eine wunderbar entspannte und erwärmende Atmo herrscht hier:

Kilometerweit kann man hier bummeln, das beste Eis der Welt genießen, und postkartenwürdige Stimmungen ohne Ende genießen:

Und der Sonnenuntergang über dieser atemberaubenden Natur-/Kulturlandschaft berührt auch mich zutiefst, der ich ja aus einer ganz ähnlich flachen Landschaft stamme, die allerdings in keiner Weise diesen tiefen kulturellen Hintergrund besitzt:

Venedig zählte im 15./16. Jahrhundert neben Paris und Neapel zu den führenden Metropolen Europas – das sollte sich der Reisende verinnerlichen, der eisschleckender Weise die „Fondamentes“ entlangschlendert und Vergleiche mit der Heimat anstellt. Beim anschließenden Bummel durch die Gassen und über unzählige Brücken…:

… kann der Flaneur nur staunen über ganze Hundertschaften architektonischer Highlights, egal ob religiös…:

… oder eher wirtschaftlich motiviert:

Und ich treffe auch jemanden. Nämlich Birte, unsere Sylter „Merret reicht‘s“- Chefin, die den gesamten November in Venedig verbringt, um mal ein wenig Abstand zu gewinnen von den anstrengenden Sylter Querelen – und sicher auch, um, wie ich, zu schauen, wie es an anderen Orten so läuft, die von allzu vielen Touristen drangsaliert werden:

Nachtrag: Heute früh erreicht mich nachfolgender Newsletter von Birte, die auch in Venedig für unsere Heimatinsel tätig ist. Aus aktuellem Anlass möchte ich Euch diese nicht vorenthalten:

„Liebe Merrets,
unser ehemaliger Bürgermeister Nikolas Häckel ist vor wenigen Tagen verstorben.
Ich persönlich bin tief betroffen, traurig und voller Respekt für dieses kurze Leben.
Ausgerechnet von seiner Heimatinsel musste er in den letzten Jahren öffentlich so viel Grobheit gegenüber seiner Person und Einmischung in sein Privatleben ertragen, wie wohl niemand anderer bisher.
Streckenweise war es schon eine Zumutung, das als Außenstehende-r miterleben zu müssen.
Ganz anders der Nachruf in der Sylter Rundschau heute, und das ist aus meiner Sicht mehr als angemessen.
Den Text hat der Verlag durch Redakteure vom Festland schreiben lassen. Das zeigt mir persönlich einerseits einen letzten Funken Taktgefühl, weil es andererseits auch beweist, dass man über die permanente Demütigung und dauernden Diffamierungen seiner Person in den vergangenen Jahren aus der örtlichen Redaktion genau Bescheid weiß….
Auch an dieser Stelle sollte sich auf Sylt im Miteinander vieles, endlich und schnell ändern.
Als Bürgernetzwerk hat er uns von der ersten Stunde der Gründung an unterstützt.
Im Rahmen seiner Möglichkeiten und unter dem großem Druck, der auf ihn ausgeübt wurde, hat er uns gegenüber für Transparenz und Informationen aus dem Rathaus gesorgt.
Das bleibt von uns Bürgern Ihm gegenüber vor allem anderen anzuerkennen.
Er war uns immer ein aufmerksamer Zuhörer, und unsere Gespräche und Diskussionen von gegenseitigem Respekt , Fairness und Vertrauen geprägt.
Auf dieser Grundlage werden wir sein Andenken bewahren.
Mit Grüßen zu Euch und in diesen Tag
Birte“

 

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