„… und garantiert kein Tchibo-Scheiss!“
Schon aus großer Entfernung höre ich trotz des quirligen Gewühls auf dem Hamburger Fischmarkt die überlauten Reggae-Rhythmen aus Jessy‘s Kaffeewagen. Es ist 5:30 Uhr in der Früh‘, es regnet wie meist um diese Uhrzeit, und es ist schon deshalb die beste Stunde für einen „Strong Coffee“ in Original Jamaikanischer Atmo, mit kostenlosen Sprüchen obendrein. Siehe oben…
Bei meinen letzten Besuchen erschien mir dieser karibische Barista stets vollgekifft oder zumindest betrunken… aber wer will das schon zu unterscheiden wagen. Nun, wo ich erstmals längere Minuten vor seinem Tresen verharre und Jessy in Aktion erlebe, wie er mit zuckenden Hüften, verdrehten Schultern, ständigem Kopfwippen, apathischen Aussetzern und pausenlosem Sprücheklopfen seine Siebträgermaschine bedient – komplett fehlerfrei nämlich – und gleichzeitig aber auch wirklich jeden Koffein-Afficionado aus den vorbeitorkelnden Freunden dieser frühen Morgenstunde fischt – das macht mich schon stutzig. Mit seiner tiefen, mehr als reibeisenen Stimme begrüßt er vorbeiflanierende Bekannte, singt er inbrünstig ganze Passagen seines grenzenlosen Reggae-Repertoires, umarmt und küsst Frauen zwischen 14 und 94 Jahren… und wird mit zigfachem Schmunzeln und augenzwinkerndem Gutheißen zurückbeschenkt von seinem ihm hörigen Publikum, egal ob es Touristinnen von Werweißwo sind oder gestandene Hanseatengattinnen.

Jessy, kurzzeitig einer Apathie anheimgefallen
Für eine eintrudelnde Jungmännergruppe, die sich – kollektiv – kaum noch auf den Beinen halten kann vor lauter Promillen in ihren gequälten Kreisläufen, mischt er, nach einem zielgerichteten Griff in die unterste linke Schublade seines Gefährts, zunächst eine halbe Pulle Veterano unter die doppelten Espressi. Dann, auf ausdrückliche Aufforderung der offenbar bekennenden Trinker, auch noch die andere Hälfte. Größere Geldscheine wechseln den Besitzer, ‚Trinkgeld inbegriffen‘ denke ich mal. Aufgerundet oder abgerundet ist sowieso egal.
Gerne beobachte ich Menschen, die glücklich sind in ihrem Tun. Jessy hat’s geschafft, innerhalb weniger Jahre zu den Großen unter den Schaustellern des Fischmarktes aufzusteigen, zu den „Must-seen‘s“, wie der seit Jahrzehnten berühmte Aale-Dieter…:
… der ein vergleichbares Unterhaltungs- und Verkaufstalent besaß, nun jedoch, mittlerweile weit in der 80ern, nur noch gelegentlich flammende Worte spricht oder allzu kurzröckig antretenden Damen einen überlangen Aal zwischen die Beine schiebt, bis sie – hoffentlich – lauthals zu kreischen beginnen… zum Amusement der längst zahlreich Herbeigeströmten.
Da geht es bei Bananen-Fred schon züchtiger zu, aber auch nur an seinen schlechten Tagen. Mehr erzähle ich nicht – geht doch einfach mal selber hin:
Diese hanseatischen Hafen-Rauheiten gehören unbedingt dazu in diesem changierenden Odeur von Bratheringen, Zuckerwaffeln, Flußschmutz und Alkoholdünsten, dem sich der frühmorgendliche Flaneur am ansonsten gut belüfteten Elbufer ausgesetzt sieht. Auf der anderen Seite werde ich Zeuge rührender Begegnungen: Da ruft ein Obstverkäufer ein Brautpaar heran, um letztlich diesem sowie im Anschluss der vielköpfigen Restmannschaft der nächtlichen Feierlichkeit je einen kostenlosen Griff in die Altländer Kirschenauslage zu ermöglichen. Natürlich nicht, ohne diese Gutmenschen-Geste unmittelbar und lauthals den übrigen Passanten kundzutun, denn der Rubel soll – logo – dann eben im Anschluß rollen:
Aus der nahen, ehemaligen Fischauktionshalle, die längst zu einem Partytempel mutiert ist, wummern auch noch nach 6 Uhr die dumpfen Bässe einer Bestager-Rockband. Als ich drinnen bin, klingt das schon besser… und die mich umwabernde Geruchsglocke schlägt alles andere an diesem Morgen: Ein Franzbrötchen-Bäcker hat sich hier installiert. Warme Franzbrötchen – ein hanseatischer Hochgenuss für Hans! Mit einem solchen zwischen den Zähnen ist es für mich an der Zeit, diesem wundervollen Morgen adieu zu sagen…
P.S.: Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen, denn wir haben ja einen Tag übersprungen. Aber das hole ich dann später nach. 😉
Hallo lieber Hans,
das war ja ein sehr großes Vergnügen, zu lesen wie du heute in die Fischmarktszene – eingetaucht bis. Herzerfrischende Momente waberten an unseren rheinischen Augen vorbei.
Danke für den Spaß und die Aufklärung darüber, was für Besucherinnen und Besucher den Hamburger Morgen so reizvoll macht !
Grüße von Gisela und Karin
Immer nur Dünen, Strände und Wattenmeer wird ja auch etwas langweilig auf die Dauer… 😉