… naja, zumindest etwas. Eigentlich nur der, der tagtäglich Foto-kreativ tätig ist, kann nachvollziehen, wie wirksam es gelegentlich sein kann, die eigene Leistungsfähigkeit durch das Betrachten „fremder“ Bilder wieder zu reaktivieren. Bei mir funktioniert`s jedenfalls: Ich stelle mir beispielsweise vor, wie es dem Fotografen im Moment des Auslösens gegangen sein mag: Ging es ihm wie mir (meistens ;-)), dass ich im diesem Moment allerhöchster und angespanntester Konzentration genau wusste, „DAS war jetzt das Highlight!“ – lediglich von der kleinen Verunsicherung begleitet, ob in der Hektik auch alle Voreinstellungen an der Kamera ohne eine irrtümliche Veränderung in letzter Sekunde übertragen wurden – , oder hat er sich noch bis zur Entwicklung des Filmes herumplagen müssen mit dem kaum auszuhaltenden Gedanken, dass eine ggf. zu lange Belichtungszeit dem sich bewegenden Hauptsujet die Schärfe geraubt… und sich das ersehnte Ergebnis letztlich als Fall für den Papierkorb empfohlen hätte.
Solche Dinge habe ich natürlich in den nun fast 4 Jahrzehnten meines fotografischen Wirkens in allen Varianten durchgespielt: Beispiel gefällig? Bei einer über alle Maßen grandiosen Wolken-Wetterlage hatte ich in großer Hektik, und ausschließlich auf das Ergebnis fokussiert, einen ganzen Film durchgeballert, mich zunehmend wundernd, warum die Kamera auch noch bei Bild 40 sorgenfrei auslöste… tja, weil ich die Filmlasche in der ganzen Aufregung nicht richtig in die Aufrollspule eingedröselt hatte – und somit der Film nicht transportiert und nicht ein einziges Bild belichtet wurde. Ganz toll! Aus Gründen des Selbstschutzes höre ich nach diesem “Fall Eins“ lieber auf mit dem Breittreten meiner angehäuften Missgeschicke in Sachen Fotografie, denn ich sitze im Zug zurück nach Sylt – voller Tatendrang für die nächsten Tage, und mir bleibt noch heute stantepé das Herz stehen, wenn ich an all die durch eigene Schusseligkeit versaubeutelten Fotos denke. Zugegeben, derlei unliebsame Vorkommnisse sind seltener geworden… aber alle paar Wochen leiste ich mir mal einen Faux Pas, getreu nach dem Schlagwort von Wim Wenders, dass die “nicht gemachten Fotos stets die besten“ seien.. hoho. Danke für den Hinweis, alter Meister!
Oder ich stelle mir beim Betrachten eines großformatigen Prints des Fotografen Hans-Christian Schink, aufgenommen in Japan ein Dutzend Wochen nach dem Tsunami vom 11. März 2011 vor, wie er die Entdeckung dieser gigantischen Location innerlich gefeiert haben mag: Von einem steilen Hügel – dem von den Wassermassen unbeleckten Friedhof der einstigen Stadt – lässt er den Betrachter in diesem Foto über den komplett bis auf die Bodenplatten zerstörten Ort hinunter blicken, in dem sich auch Monate nach dem Desaster nur wenig Leben rührt. Selten habe ich das Drama um Leben und Tod, die „Ironie des Schicksals“ so bildstark in einem Foto transportiert gesehen – wie gestern in der Berlinischen Galerie in der Ausstellung „Die fotografierte Ferne”. Für mich eine Bildidee, die sich an diesem Ort und zu dieser Zeit optimal umsetzen ließ. Bravo, aber ehrlich!
Tja, und sooooo schleppe ich selber einen gelegentlich übergroßen Rucksack an Foto-Ideen mit mir herum (wenn auch weniger martialischen Inhalts) – immer auf den Moment lauernd, wann und wo sich diese oder jene, oder jene, oder eben jene Situation verwirklichen könnte. Diese irrlichtartig vor meinem geistigen Auge herumflackernden Geister traktieren mich derweilen so sehr, dass ich die Insel besser mal schnell und fluchtartig verlasse, weil ich mich nur jenseitig des Hindenburgdammes von diesen nervigen Gesellen befreien kann… und mich mit diesen am besten wieder versöhne, wenn ich Fotografien mit ikonographischer Kraft von ebensolchen Kollegen des Bildschaffens betrachte – lange, tief und mega betroffen.
Der Kurztrip ins Berlinische hat sich also gelohnt – zumal die Fotoflut in der Sonderausstellung des Deutschen Historischen Museums wirklich Tsunami-mäßig daherkam. Nun aber ist Sylt bereits fast in Sichtweite, und das Rumgeplabbere soll ein Ende haben.