Ein Tour – Höhepunkt steht bevor: Die Winterwanderung ins Val Fex. Dieses etwa acht Kilometer lange Seitental gilt als das schönste im Oberengadin, und das will schon etwas heißen. Die Tour beginnt mit einem wildromantischen Einstieg keine 200 Meter von meinem Hotel entfernt. Hier hat der Fluss namens Fedacla über Jahrtausende ganze Arbeit geleistet:
Seit dem Ende der letzten Eiszeit, als hier noch alle Täler vergletschert waren, schuf er nämlich die berühmte Silser Schwemmlandebene, mit dem Geröll, das er aus den Höhen des Fextales heruntertransportierte.
Allerdings nicht in dem Plätscher-Modus, den wir auf obigem Foto sehen. Sondern in katastrophalen Sturzbächen, sozusagen Ahr-mäßig. Sils‘ Nachbarort Surlej wurde noch vom 18. bis ins 20. Jahrhundert derart häufig von den Wassermassen des dortigen Flusses zerstört, dass die letzten Einwohner bis 1960 nach Silvaplana herübergezogen waren. Erst nach dem Bau einer Staustufe oberhalb des Ortes und der Bergbahn zum Corvatsch belebte sich der Ort wieder.
Bereits im Jahre 1954 wurde dem Fextal ein besonderer Schutzstatus verliehen. Die Gemeinde Sils einigte sich mit mehreren Natur- und Heimatschutzvereinen, keine neuen Ferienhäuser, Skilifte, Sesselbahnen, Freileitungen und Parkplätze zu bauen, außerdem eine Fahrerlaubnis nur für die etwa 100 Bewohner sowie Versorgungsfahrzeuge zu erlauben. Damit betritt der Wanderer ein über alle Maßen stilles und friedliches Paradies, von dem ich sofort in den Bann gezogen bin:
Vor mir sind an diesem Morgen nur zwei Personen unterwegs, deren Fussspuren ich zunächst folge, bis wir uns begegnen und ins Gespräch kommen. Immer wieder werde ich im Verlauf meiner fünfstündigen Wanderung heute hören, was für ein besonderer Flecken Erde dieses Tal darstellt – und das bleibt auch mir nicht verborgen. Da kein Mensch auf die Idee kommt, die markierten Pfade zu verlassen, sehe ich viel Unberührtheit, die dem Gemüt weiteren Balsam verleiht:
Regelrecht ergriffen lege ich eine kurze Rast ein in der im Jahre 1511 erbauten, entzückenden Kapelle von Fex Crasta:
Nach 90 minütiger Wanderung passiere ich das Hotel Fex. (Wegen Fotos bitte im Internet schauen, habe ich verbaselt). Dieses stand bis vor 100 Jahren in St. Moritz, wurde dann dort demontiert und hier – im Originalzustand – wieder aufgebaut. Crazy, oder?
Danach ist dann Wilderness angesagt:
Beim Blick zurück sieht man dann doch noch – gaaanz klein rechts der Bildmitte – das berühmte Hotel Fex:
Gelegentlich bin ich ganz froh, dass der Wanderweg mit Stöckern markiert ist, denn die Augen sind vom gleissenden Weiss sehr angestrengt, obwohl sich der Himmel langsam bezieht:
Nach gut 8 Kilometern und knapp 300 Metern Anstieg erreiche ich die Alp Muot Selvas, den Wendepunkt meines heutigen Ausflugs. Bis hierhin war ich gut 2,5 Stunden unterwegs…:
… für die Strecke zurück werde ich nur 1,5 Stunden benötigen.