“An diesem düsteren, von Schneeregen geprägten Corona-Januartag möchte Dir Dein Juniorpartner sein erstes Seestück des noch jungen Jahres vorstellen. Da die Realität nicht zu toppen ist: Hier die Verklärung einer sommerlich zart bläulichen Woge, bei deren Ausformung unser beider Vorbild Siegward aus dem Orbit wohlmeinend die Malerhand hielt – mahnend, auch im Himmel für eine nötige Belebung Aug’ in Auge zu sorgen. Bei einem Blick aus meinem Atelierfenster sehe ich die ersten Oldies, wie sie das Impfzentrum in den Hamburger Messehallen verlassen. Wäre ich ein Otto Dix oder Conrad Felixmüller, würde ich die malen und nicht in Sehnsuchtsbilder flüchten. Dennoch hege ich die gleiche Hoffnung, wie die frisch Geimpften: Dass der Corona-Spuk möglichst bald enden möge.”
Dazu meine Antwort, hier mit einer Meeresstimmung vom heutigen Vormittag:
Lars, mein werter jugendlicher Kollege in Sachen schöner Künste. Lassˋ das mal mit Dix und Felixmüller und bleib konzentriert bei Deiner und unserer Mission. Die beiden Epigonen haben andere Biografien durchleben müssen als wir, mit gruseligsten Erfahrungen. Dagegen haben wir zwei Glückskinder in unserer Kindheit und Jugend ein starkes Landschaftserlebnis „geimpft“ bekommen, hier auf unserer Heimatinsel. Und wir haben es beide zu unserer Berufung und auch zu unserem Beruf gemacht, uns diesem schönen Thema zu widmen… der Grandesse der Sylter Landschaft. Ich sehe es tagtäglich als Geschenk, daran arbeiten zu dürfen, an diesem so einzigartigen Zusammenprall von erhabener Landschaft, donnergrollendem Meer und dahineilendem Himmelswerk, so wie ich es am heutigen Nachmittag in den letzten lichtvollen Minuten einmal mehr erleben durfte:
Und dann komme ich nach Hause und finde im Mail-Briefkasten mit der „Abregnenden Wolke“ Deine gemalte Expression (kann man das so sagen?) dazu. Wie schön und wahr, auch…
… Deine Zeilen dazu:
„Hans,
es ist ein sich stets wiederholendes, freudig herbeigesehntes Ritual: Gerade bin ich dem Zug in Westerland entstiegen, führt mich der Weg zunächst auf meinen Ausguck am Strandübergang Strandstrasse – um das Meer zu begrüßen. Und es ist immer ein Gefühl von Freiheit, das mich dort oben durchströmt. Dann, allmählich, gesellen sich die für den Westerländer Hauptstrand typischen Attribute des Tourismus hinzu: Das Bratenfett von Gosch, die Musik eines Kurorchesters, das bunte Treiben auf der Promenade und am Strand. Als ich den Ausblick auf das Meer malte, interessierte mich vor allem die abregnende Wolke weit draußen am Horizont. Bestes Futter für uns Landschaftskünstler!
Wie es wohl sein wird, wenn ich morgen dort aufschlage? Corona wird dafür sorgen, dass sich die Sinne allein an der Meereslandschaft ergötzen. Ungestört. Ohne, dass einem die touristische Realität dazwischenfährt. Eigentlich eine verlockende Vorstellung, die aber zugleich etwas gespenstisches in sich trägt. Der außergewöhnlichen Naturbegegnung stellt sich der beklemmende Würgegriff der Pandemie zur Seite. Noch vor einem Jahr malte ich Landschaften, die eine ersehnte Stille in sich trugen. Der Eindruck einer erzwungenen Stille schafft einen ungewohnt klaren Blick auf die Natur. Ich glaube, das Verhältnis Mensch-Natur wird nach überstandener Pandemie ein anderes sein.“
Sie haben einen prächtigen Termin für Ihren Sylt-Besuch gewählt, Herr Malermeister! Morgen werden uns die Elemente als wildgewordene Derwische begegnen, das zeichnet sich ab. Sie wollen uns herausfordern, und wir sollten Ihnen in Demut bei Ihrem Treiben lauschen. Bis morgen, ganz nah an dieser wunderbaren Natur!