5. Februar: „Wo bin ich!?“

Ich weiß im Moment nur, WAS ich bin: Nämlich fertig mit Jacke und Büx. Zwanzig Stunden Bahnfahrt, gefolgt von zehn Kilometern Fotospaziergang – da merke ich doch, dass ich keine zwanzig mehr bin. Egal, ich muss jetzt erstmal ausschlafen, und werde den Blog dann in der morgigen Frühe schreiben.

Verona, Dienstag 4:30 Uhr: There we are, nun kann es weitergehen mit dem Bäume ausreißen! Nach der doch recht schlaflosen Nacht im Zug von Hamburg nach München gönne ich mir nach (fast pünktlicher) Ankunft um 6 Uhr erstmal einen Pappbecher Kaffee und lieber gleich zwei „Brezen“ dazu. In der frostigen Morgenkühle direkt im Bahnhof genossen, während um mich herum von allen Gleisen die Pendler einfallen und in die neue Arbeitswoche hasten, das hat schon Großstadt-Kolorit. Die Strafe für diesen Urlauber – Zynismus kommt von oben: Ca. Zwanzig Meter über mir auf einer Dachsparre des Bahnhofsdachs hat eine Taube offenbar Dünnpfiff, und ich höre nur das Gepladder der Flitze – volle Kanne auf meine Reisetasche… „Ja mei!“

Echtes 70er Jahre Interrailfeeling kommt auf beim Besteigen meines Eurocitys mit Original-70er Jahre Waggons und, in der 1. Klasse, Vierer-Abteilen mit Klubsesseln und fetten Armlehnen – herrlich! Mir gegenüber am Fensterplatz setzt sich ein volladipöser Amerikaner mit viel Reisegepäck, der von der ersten bis zur letzten Minute der fünfeinhalbstündigen Fahrt nach Verona ausschließlich in seinen Laptop starrt und alle paar Minuten dabei einschläft. Dabei nickt sein Kopf nach vorne, so dass mir immerhin der Anblick seiner Plete bleibt. Zu meiner Rechten, getrennt durch eine edle Zwischenablage, gesellt sich ein etwa 40-jähriger Italiener mit katastophalem Kreisrundem Haarausfall, der die gesamte Reisezeit nutzt, auf seinem Handy Ordnung in die Phalanx hunderter Tinder-Frauen zu bringen, die sich in allen erdenklichen (und unerdenklichen) Posen auf seinem Bildschirm räkeln.
Am Fensterplatz gegenüber des volladipösen Amerikaners sitzt ein in die Jahre gekommener, etwas schmächtiger Herr mit vollem, etwas wirrem Haar, der es fertig bringt, 90% der Reisezeit ausschließlich aus dem Fenster zu gucken, und diesen wundervollen Vormittag bei prallem Sonnenschein und vorbeiziehenden beschneiten Gebirgsgraten ganz offensichtlich zu geniessen.

In Verona empfängt mich der Frühling. Es ist Mittagszeit, und die Sonne bretzelt durch einen kräftigen Ferndunst, der nach Smog riecht. Gefühlt sind alle Veroneser auf den Straßen und besonders den riesigen Plätzen unterwegs und zeigen eindrücklich, wie man/frau das Dolce Vita zelebriert:

Ich beziehe derweil mein Apartment in einer schattigen und noch kühlen Altstadtgasse, durch die runde hohe Einfahrt gleich hinter der Bar geht es auf einen stillen Innenhof:

Nachfolgend einige Eindrücke von meinem Stadtbummel, der bis in die Dunkelheit geht. Berühmtestes Bauwerk und touristischer Hotspot ist natürlich das römische Amphitheater:

Man stelle sich vor und staune: Dieses Teil ist ziemlich genau zweitausend Jahre alt! Und steht noch, wobei wir heute nur noch den inneren Ring – sozusagen die Zuschauertribünen von außen – sehen. Nur bei der Umrundung sieht man den „Flügel“, ein kleines Stück der ursprünglichen Außenmauer:

Im Weiteren verliere ich mich im Gassengewirr der Altstadt…:

… erklettere den bekanntesten Aussichtspunkt…:

… esse Foccaccia und geradezu himmlische Pizzastückchen, frisch aus glühenden Öfen gezogen, geniesse die vielen pittoresken Momente…:

… und kehre erst gegen 18 Uhr, beschwingt und erschöpft von der Vielzahl an Eindrücken, zurück in meine Unterkunft:

Das ging ja schon mal gut los. Morgen folgt der spannendste Teil meiner (An-)Reise!

 

 

 

 

 

 

 

 

Kommentare (4)

  1. Frank Jesse

    Lieber Hans,
    Du bist in Verona, da haben wir letzten August noch Carmen in der Arena gesehen
    Wünsch Dir eine schöne Zeit, Hauptsache Du bist pünktlich zur Bike und Buchvorstellung von Silke zurück auf der Insel,
    liebe Grüße
    Frank

    • Hans Jessel

      Poah, das ging ja schnell. Aber das ist auch gut so, denn ich komme im Moment den Ereignissen gar nicht mehr hinterher. Heute Abend bin ich nicht einmal mehr einen Wein trinken gegangen, das geht nun wirklich zu weit. Ok, damit zeige ich morgen im Blog einfach noch ein paar Bilder ohne große Suchfunktion, wo das nun wieder wäre…

  2. Karin Lizon

    Lieber Hans,

    hoffentlich hast du dich nach einer Mütze voll schlafe von der Fahrt ins Ventien und
    dem ausgedehnten Fotospaziergang durch Verona erholt, bin schon auf deine tollen Fotos und interessanten Reiseberichte gespannt
    Werde in diesem Jahr auch wieder eine Reisegruppe in die Stadt von
    “Romeo und Julia” zu den Operfestspielen begleiten.
    Eine super Reise wünscht dir
    Karin

    • Hans Jessel

      Liebe Karin, acht Stunden Schlaf haben gut getan. Nun kann es mit dem Bäume ausreissen weitergeh‘n… 😉

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