9. Juni: „Und nun!?“ werdet Ihr fragen….

…,  und das nicht zu Unrecht.

Am heutigen Morgen bin ich schon gegen 5 Uhr wach wie Lumpi und beginne bald mit meinem Tagwerk: Ein paar Deeehnübungen machen, sämtliche Klamotten für den Rucksack in möglichst schlauer Abfolge einpacken, die anstehende Tour noch einmal final durchdenken, die Morgentoilette zelebrieren etc. pp..

So stehe ich um Punkt 7 Uhr zum Frühstücksbeginn vorm Hotelrestaurant und verlasse danach das ehrwürdige Haus bereits um Punkt 7:30 Uhr, denn mein Schienenbus nach MALS ins Obere Vinschgau wartet sicher nicht auf säumige Blogger, und fährt außerdem pünktlich um 7:48 Uhr ab.

Das Vinschgau, Lieblings-Urlaubstal unserer Ex-Bundeskanzlerin, ist der größte agrarische Konkurrent unseres ‚Alten Landes‘ am niedersächsischen Elbufer, und beide Parteien streiten sich, wer denn nun das „Größte zusammenhängende Obstanbaugebiet Europas“ betreibt. Ich habe die Bäume im Vorbeifahren nicht durchgezählt, aber es sind ne ganze Menge, das darf ich mitteilen. Die eingleisige Vinschgau-Bahn fährt mitten durch die Plantagen hindurch, und der neugierige Betrachter wird ganz rammdösig von dem endlos vorbeihuschenden Astwerk. Und entschließt sich, lieber noch ein paar WhatsApps in die Weltgeschichte zu entlassen  oder in den herrlich leeren Waggon zu starren und ans nächste Essen zu denken.

Nächstes Essen? Später mehr, das Abendessen ruft!

Weiter gehts: Der anständige Geograf hat natürlich stets das beste Kartenwerk in der Gesäßtasche, aller Googelei zum Trotz. Oben rechts am Bildrand liegt MALS, das sich an diesem frühen Sonntagmorgen als ausgesprochen verpupt präsentiert. Nicht einmal ein Tässchen Kaffee gibt’s irgendwo, und die durchweg festlich gekleidete Bevölkerung ist ausschließlich damit beschäftigt, ihre Häuser zu schmücken. Sieht so aus, als fände noch ein Umzug statt am Vormittag.

Meine geplante Wandertour sieht folgendermaßen aus: Zunächst einmal laufe ich nach GLURNS, schräg unterhalb von Mals…:

…wo ich genau im richtigen Moment auf die rundherum erhaltene mittelalterliche Stadtmauer zugehe, als sich das stündlich verkehrende Schweizer Postauto durch das enge Stadttor quält:

Nach Glurns, der „kleinsten Stadt Südtirols“, wäre ich gar nicht gekommen, wenn es mir nicht von der Rezeptionistin meines heutigen Hotels wärmstens anempfohlen worden wäre, die hier lebt. Nicht, daß es hinterher heißt, „das hätte er ja mal erzählen können“. Jedenfalls brummt hier das Leben, und ich gönne mir das letzte italienische Eis meiner Reise, während ganze Kolonnen von schweren Motorrädern auf dem Marktplatz an mir vorbeibratzen.

Dann verlasse ich Glurns durch das westliche Stadttor und überquere zunächst einmal die Etsch, die sich wie alle Flüsse der Südalpen in diesen Tagen in einen reißenden Strom verwandelt hat, nach den jüngsten starken Schneefällen und der nun nachfolgenden Schneeschmelze im Hochgebirge.

Nach der Bruthitze in Meran am gestrigen Abend genieße ich die relative Kühle. Wunderbares Wanderwetter bei leicht bedecktem Himmel, so lässt es sich aushalten:

Dann erreiche ich die Berge zum Einstieg in das VAL MONASTERO (siehe Karte) und hoch gehts. Das ist im Prinzip ja völlig ok, aber anstrengend mit 10 Kilogramm aufm Rücken. Denn alle dickeren Klamotten inklusive eines zweiten Paares an Wanderschuhen, Wasser und  Verpflegung muß ich heute mit mir schleppen, eine kleine Schwachstelle meiner Reiseplanung, aber eben nicht zu ändern.

Wir blicken aus luftiger Höhe auf den Eingang zum Val Monastero (links) und das Vinschgau, das sich rechts im Bild bis zum RESCHENPASS und damit zur Grenze nach Österreich hinzieht:

Weil das ständige Rauf und Runter an diesem Hangweg auf Dauer definitiv zu anstrengend wird *schweissgebadetsei*, wende ich mich nach wenigen Kilometern wieder Richtung Talboden, wo die Spuren winterlicher Regenfälle allgegenwärtig sind:

Der Rombach, der mir hier – aus der Schweiz kommend – entgegen rauscht, ist an normalen Tagen eher ein Rinnsal, nun jedoch eher ein tobendes Ungeheuer:

Immer höher steigt das Rombachtal, bis ca. 5 Kilometer vor der Schweizer Grenze der Blick auf erste Dreitausender mit schneebedeckten Gipfeln frei wird. „Waaaaah, denen bin ich nun schon gaaaanz schön nahe!“:

Naja, und dann kommt er, der Schocker, als ich plötzlich vor einer Wegsperrung stehe:

Neben einem veritablen Umweg würde das „Gehorchen“ bedeuten, daß ich auch heute auf das Highlight, den „Aufhänger“ dieser Etappe, verzichten müsste – nämlich die Schweiz über die „Grüne Grenze“ auf einem alten Schmugglerpfad zu erreichen. Mir fällt auf, daß diese Sperrung seit 2022 besteht, also zum Höhepunkt der nicht abebben wollenden Coronawelle. Offenbar keine Sperrung wegen jüngster Felsstürze oder Murgänge. Ich simse eine Schweizer Blogleserin an, die recherchiert, daß auf der offiziellsten aller Schweizer Wanderkarten keine Fussgängersperrung besteht.

Also marschiere ich weiter… und erreiche den „inoffiziellen“ Grenzübergang nach einer bangen Stunde:

Es gibt einfach Dinge, die ich in meinem Leben einmal gemacht haben möchte. Diese Aktion, seit Jahren in der Pipeline, ist damit nun endlich erledigt.

Gleich hinter der Grenze finde ich meine Unterkunft für die nächsten Nächte, das Hotel CHALAVAINA, seines Zeichens „Ältestes Hotel der Schweiz“, im 15.(!) Jahrhundert erbaut:

Reichlich fertig mit Jack‘ und Büx freue ich mich auf mein Bett, das noch aus den Anfangsjahren dieses entzückenden Kleinods zu stammen scheint:

Warum das älteste Schweizer Hotel gerade in dieser entlegensten Ecke der Alpenrepublik zu finden ist, das erzähle ich dann im morgigen Erlebnisbericht.

 

 

 

 

Kommentare (2)

  1. Kann Lizon

    Hallo Hans,
    hoffentlich hat dich in deinen Träumen kein Zöllner beim illegalen Grenzübertritt verfolgt, bist wieder fit und bestimmt bereit für die nächsten Abenteuer.

    Hannibal überquerte 218 v. Chr. schließlich mit einem Heer und Elefanten auch die Alpen.

    Bin gespannt, welche Stationen du für deine Reise noch geplant hast.

    Viel Freude und liebe Grüße aus Dü-dorf

    • Hans Jessel

      Ja der Hannibal! Der hat’s besser organisiert. Gerne hätte ich beim Anmarsch zu meinem illegalen Grenzübertritt auch ein Elefänt‘chen dabei gehabt, das sich meines bleiernen Rucksacks hätte annehmen können. Aber man lernt ja nie aus! 😉 Übrigens habe ich das Wilhelm Busch – Gedicht mittlerweile auswendig gelernt und rezitiere es als tägliches Mantra vor besonders beeindruckenden Naturpanoramen. Kein Scherz jetzt!

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