Eine berechtigte Frage. Darüber dürft Ihr noch ein wenig nachsinnen, und ich werde diese bis morgen früh beantworten. Versprochen.
Los geht’s:
Große Aufregung nach der Rückkehr vom Tagesausflug nach Nizza und Mougins: Wegen des andauernden Streiks fährt kein einziger Zug mehr, und die SNCF empfiehlt, sich „an diesem Wochenende“ jegliche projektierte Bahnfahrt mindestens zweimal zu überlegen…
Das fehlt mir noch. Bus-Alternativen gibt’s nicht, und ein Taxi zur 50 Kilometer entfernten italienischen Grenze kostet 100 Euronen, wie ich in Erfahrung bringe. Immerhin listet die SNCF alle nicht-fahrenden Züge akribisch auf, und das sind alle an diesem Donnerstagabend. Und morgen? Das weiß nicht mal der Henker.
Aber, wie Ihr dem heutigen Titelbild entnehmen könnt, wendet sich schließendlich alles zum Guten. Um 5 Uhr in der Frühe finde ich eine Verbindung, und um 6:21 Uhr fährt tatsächlich ein Zug ein – mit Ziel Vintimille (auf französisch). Glück gehabt!
Bis zur italienischen Grenze erwartet mich eine der schönsten Bahnstrecken Europas. Für mich ein gewichtiger Grund, diese Route zu wählen. Höhere Ausläufer der Alpen drängen sich bald hinter Nizza am Meer zusammen, was irgendwelche kleveren Eisenbahn-Enthusiasten um die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht hindern konnte, kurvenreiche und von zahlreichen kurzen Tunneln geschmückte Gleisanlagen in die Felsen zu sprengen, auf denen der Reisende mit nahezu ununterbrochenem Blick aufs glitzernde Meer dahinfliegt. Von größerem Kontrast könnte der Blick ins Waggon-Innere nicht sein: Seit Nizza geht es hier zu wie in einer Hambuger S-Bahn, inklusive der mürrischen Pendlergesichter, die – nahezu zu 100 Prozent- mit heruntergezogenen Mundwinkeln ausschließlich auf ihre Handies starren. Um in Monte Carlo wie auf Zuruf geschlossen den Zug zu verlassen.
Pünktlich um 7:30 Uhr in Italien angekommen, sehe ich bereits am Gleis, daß meine Weiterfahrt bis Milano gesichert scheint:
Also pilger‘ ich erstmal in die nächste Bar gegenüber vom Bahnhof. Brüllendes Leben am Tresen, überlautes Geschepper der Tassen, Hektik, die schöne italienische Sprache in 80 Dezibel Lautstärke… that’s it! Und Hans mittenmang in diesem Gewühl, gaaanz ruhig und bei sich – endlich wieder nach dem ganzen Häckmäck.
Die Zeit reicht im Anschluss locker für einen Spaziergang durchs Ortszentrum Ventimiglias. Wenn es stimmt, was ich jüngst über die lebensverkürzenden Wirkungen des Feinstaubs las, dürfte sich meine diesbezügliche Erwartung während dieses einstündigen Rundgangs um zwei bis drei Wochen verkürzt haben.
Dafür ist der Blick über den Fluss Roya auf die Altstadt Unesco-reif:
Mein „Intercity“ wartet bereits, als ich um kurz vor 9 Uhr – in deutlich aufgeräumterer Verfassung – wieder am Bahnhof aufschlage.
Bevor wir bald nach 11 Uhr die Küste hinter Liguriens Hauptstadt Genua verlassen, führt der Weg meist in unmittelbarer Meeresnähe entlang, wobei die zunächst noch felsigen Buchten zunehmend von weiten Sandstränden abgelöst werden. Dabei lässt der Zug keine Milchkanne aus: Während Orte wie San Remo und Sarona dem einen oder anderen noch ein Begriff sein dürften, glänzen gerade die kleineren Küstendörfer durch Schön- und Unbekanntheit. Oder fällt jemandem zu Alassio, Albenga oder Loano etwas ein!?
Mittlerweile hat mir gegenüber ein Mailänder Literaturprofessor Platz genommen. Ok, dieser distinguierte Herr könnte auch ein Ex-Schauspieler des Antonioni-Ensembles sein, oder… ist es nicht viel eher Bernando Soares, der „untadelig gekleidete Herr mit dem Auskommen als Hilfsbuchhalter, dessen Liebe der Literatur gehörte“, wie Fernando Pessoa schrieb? Alles denkbar, aber letztlich doch egal – zumal sich schräg gegenüber die „Miss Ligurien“ der Jahrtausendwende eingefunden hat:
Nun fallen mir doch endlich einmal die Augen zu und ich fabuliere mal besser im Traum weiter…
Im Milano Centrale angekommen, dem immerhin größten Bahnhof Europas, werde ich nach bisheriger Planung schon am 31. Mai wieder sein, um von hier aus mit dem berühmten FRECCIAROSSA in den Süden Italiens zu fahren. Heute steht ebenfalls eine Entscheidung an: Wohin soll die Reise nun weitergehen!?
Wenige Minuten später besteige ich den Zug nach Tirano, entlang des Comer Sees. Die Ecke kenne ich gut, war ich doch von hier aus mit meinem eBike vor 7 Jahren über die Alpen geradelt. In COLICO ist umsteigen angesagt Richtung CHIAVENNA, es wird nun bereits deutlich gebirgiger:
Nach kurzem Altstadt-Spaziergang wartet das Schweizer Postauto bereits, das von hier aus alle Stunde ins OBERENGADIN „uffä“ fährt:
Und so ist es. Bereits nach halbstündiger Fahrt durch das traumhafte BERGELL geht es am MALOJA-PASS steil nach oben über die Schneegrenze. Diesen Pass konnte ich bereits vor Jahren zu Fuß erklimmen, ähäm…:
… dann vorbei am erst im Januar besuchten SILSER SEE, der gerade im Auftauen begriffen ist:
… nach ST. MORITZ, wo ich bei dieser traumhaften Kulisse bis zur Dunkelheit am Fenster meines Hotelzimmers sitze:
Letzter Programmpunkt meiner Tour: Eine Schneewanderung am Samstagvormittag, gekrönt von einem Kaffeetrinken in der KONDITOREI HANSELMANN. Von dort geht’s am Nachmittag in einem Rutsch zurück nach Sylt. Projektierte Ankunft auf der Insel: Sonntagvormittag um 11:07 Uhr.
Voraussichtlich kann ich den Bericht dazu – aus reisetechnischen Gründen – erst im Laufe des Sonntagnachmittags anfügen. Aber Ihr seid ja genügsam…;-)
Soviel ist sicher
Reisen tut immer gut.
– Voltaire –
Es gibt sooo….viele magische Orte auf dieser Welt, eines dieser Fleckchen Erde liegt dir gerade wieder zu Füßen, wenn ich mich nicht täusche bist du in St. Moritz gelandet, oder ⁉️
Hans du weißt einfach genau, wie man tolle Landschaften mit allen Sinnen auf sich wirken lässt und der Kamera festhält
Einfach traumhaft ❗❗❗
Gruss
Karin
So ist es, liebe Weltenbummler-Kollegin, bingo! Ein Gläschen Wein ist damit bereits verdient beim nächsten Treffen, auf Sylt?