Die Rückfahrt in den Norden

Die hagere Dame unbestimmten Alters hinter dem Füssener Bahnhofs-Schalter ist eher der spröde Typ. Und der bocklose auch. Ich stehe mit Sack und Pack vor ihrem Tresen, schiebe die devote Nummer, und erkläre in möglichst präzisen Worten mein Begehren. Dieses wäre, mit der RB um 10:06 Uhr nach Augsburg zu fahren, um dort den von München kommenden IC nach Hamburg (Ankunft 18:44 Uhr) zu erwischen. “Alle Fahrradplätze ausgebucht!” bestätigt sie nach kurzer Tipperei in ihren PC meine Befürchtung. “Und morgen?” “Ebenfalls.” “Dann bleibt nur der Nahverkehr?” meine erkennbar in aller Bescheidenheit vorgetragene finale Frage. “Ja.” Ihre ebenfalls letzte Antwort in meine Richtung, bevor sie sich demonstrativ wichtigeren Dingen zuwendet, sprich ihren Tresen aufräumt.

Tatsächlich sind alle Fahrrad-Stellplätze in allen Fernverkehrszügen von Süd- nach Norddeutschland über Tage ausgebucht. Da ich im Vorwege nicht abzuschätzen vermochte, ob mein engagierter Radtour-Terminplan einzuhalten wäre, schob ich die geplante Buchung für die Rückfahrt bis nach der Reschenpass-Querung hinaus… aber da wars bereits zu spät. Bewusst hatte ich An- und Abreise fernab jeglicher Wochenenden geplant – aber den morgigen Himmelfahrtstag übersehen, vor dem offenbar viele Zeitgenossen mit Fahrrad in den Zügen unterwegs sind. So lernt man auch als alter Interrailer doch nie aus.

so sieht nun mein heutiger Fahrplan aus:

Ich trolle mich, setze mich zwischen den beiden einzigen Gleisen 1 und 2 auf eine Bank, zücke mein Handy und lade mir zunächst ein “Quer-durch-Deutschland-Ticket” (€ 44,-) runter, mit dem der Nutzer “ab 9 Uhr bis 3 Uhr des Folgetages” mit Nahverkehrszügen rumfahren kann, bis im schwindelig wird, ferner eine “Fahrradkarte Nahverkehr Deutschland” (€ 5,50).

Pünktlich um 9:05 Uhr fährt meine RB nach Augsburg.
Nachfolgend meine Verbindung in den Norden. Ich habe mir mal erlaubt, die Haltestellen mitzuschreiben, kann aber nicht für 100%ige Vollständigkeit garantieren. Ggf. habe ich mal die ein oder andere verpennt:

1. Zug: Füssen – Augsburg 9:05 – 10:56 Uhr
Haltestellen: Hopferau, Seeg, Lengenwang, Leuterschach, Marktoberdorf, Ebenhofen, Biessenhofen, Kaufbeuren, Buchloe, Schwabmünchen, Obingen, Inningen, Augsburg Morellstrasse,

2. Zug Augsburg – Treuchtlingen 11:26 – 12:20 Uhr
Haltestellen: Augsburg Oberhausen, Meitingen, Nordendorf, Mertingen, Donauwörth, Otting-Weilheim,

3. Zug: Treuchtlingen – Würzburg 13:06 – 15:18 Uhr
Haltestellen: Gunzenhausen, Muhr am See, Triesdorf, Ansbach, Burgbernheim-Wildbad, Steinach, Uffenheim, Marktbreit, Ochsenfurt, Goßmannsdorf, Winterhausen,

Dreiviertel Stunde Aufenthalt in Würzburg? Die Zeit reicht für ein verspätetes Mittagsmahl in der Weinstube des Juliusspitals:

4. Zug: Würzburg – Neudietendorf 16:01 – 18:12 Uhr

Haltestellen: Schweinfurt, Ebenhausen, Bad Neustadt a. d. Saale, Mellrichstadt, Obermaßfeld – Grimmenthal, Suhl, Zella-Mehlis, Oberhof (Thür.), Gräfenroda, Plaue, Arnstadt,

5. Zug: Neudietendorf – Göttingen 18:22 – 19:50 Uhr
Haltestellen: Gotha – Ost, Bad Langensalza, Leinefelde, Mühlhausen, Heilbad Heiligenstadt,

6. Zug:  Göttingen – Uelzen 20:12 – 22:38 Uhr
Haltestellen: Nörten-Hardenberg, Einbeck – Salzderhelden, Kreiensen, Freden, Alfeld (a. d. Leine), Banteln, Elze, Sarstedt, Hannover Hbf, Langenhagen Mitte, Isernhagen, Großburgwedel, Celle, Eschede, Unterlüss, Suderburg,

7. Zug: Uelzen – Hamburg Hbf. 23:06 – 00:19 Uhr
Haltestellen: Bad Bevensen, Bienenbüttel, Lüneburg, Bardowick, Radbruch, Winsen, Asshausen, Stelle, Maschen, Meckelfeld, Hamburg Harburg,

Statt 8. Zug: Vom Hamburger Hauptbahnhof radel’ ich durch die Nacht nach Altona. Die S-Bahn von Stade, die um 00:40 Uhr ab Hbf. fahren soll, meide ich gerne, denn die ist proppevoll mit Partyvolk, das zur Reeperbahn will. DAS brauche ich jetzt nicht so. Um 1:04 Uhr lösche ich das Licht. Ich bin fertig.

Den 25. Mai verbringe ich zur “Tour-Regeneration” in Hamburg.

8. Zug:  Hamburg-Altona – Westerland Fr., 26. Mai, 5:29 – 8:36 Uhr

Haltestellen: Elmshorn, Itzehoe, St. Michaelisdonn, Meldorf, Heide, Lunden, Friedrichstadt, Husum, Bredstedt, Langenhorn, Niebüll, Klanxbüll, Morsum, Keitum,

Wie pflegte ein geschätzter Fotofreund zu sagen: “Zuhause angekommen, immer zuerst(!) die Pferde versorgen!” Und da neulich jemand (ich glaube, es war Oliver Welcke) Radfahren als “veganes Reiten” bezeichnete, hier meine Variante:

Morgen sieht’s schwer nach Fotowetter aus – nun geht’s wieder auf Sylt weiter…

Kommentare (3)

  1. Frank H.

    Brilliant! Bill Bryson hat einen Bruder im Geiste auf Sylt. Den Blog sollte jemand a) Riese&Müller ins Postfach schieben und b) einem Verlag. Ich frage mich grad, ob du mit beiden Akkus und im Sport-Modus nicht ähnlich schnell wie mit der Bahn zu Hause gewesen wärst. Einen Versuch wäre es wert. List – Oberstdorf…?

  2. Schade, dass Deine Tour schon zu Ende ist. Die Rückfahrtstory war nochmal ein richtiges Highlight! – Und man lernt doch immer noch dazu, auch wenn ich kein alter Interrailer bin: 90% der Ortsnamen hab ich noch nie gehört. Und wahrscheinlich hast Du jetzt Oberarme wie Schwarzenegger …… passend zu den Beinen – auch nicht schlecht.
    Außerdem ist Dein Fotofreund ist ein weiser Mann: Wie wahr, wie wahr – die Pferde müssen IMMER zuerst versorgt werden…….

  3. Yvonne Lagoni

    Spontane Eingabe zum Ende Deiner Tour:
    “What a man, what a man, what a man, what a mighty good man, say it again now…”
    Was für einen Ritt Du hingelegt hast, wieder einmal, ganz zu schweigen von den traumhaften täglichen Reiseberichten.
    Nun haben Silke und Deine Insel Dich wieder.
    Erhole Dich gut und zehre von der Zeit … bis zum nächsten verrückten “sich selbst Ausprobieren”.
    Es grüßt das Wonnige

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