12. Februar: Grüße von der Rücktour!

Ich verlasse das Oberengadin über die Albula-Linie, die ebenfalls zum Unesco Weltkulturerbe zählt. Man kann nur den Hut ziehen vor den Ingenieuren und Arbeitern, die  diese Bahnlinie durch das unwirtliche Gebirge geplant und gebaut haben. Eben sieht man noch ein Gleis unter sich, eine Minute später ist man über einen kreisrunden Tunnel im Felsen schon zwanzig Meter tiefer auf dieses hinabgefahren:

Hans, was waren die größten Herausforderungen für Dich – als Flachländer – in den Bergen?

Mir fällt es nach wie vor schwer zu akzeptieren, dass der ganz überwiegende Teil der Wanderwege im Winter gesperrt ist. Eigentlich lässt sich nur in der Horizontalen wandern, was im Oberengadin aufgrund der Breite der Täler ja auch gut möglich ist. Aber trotzdem machte ich ständig den „Hans-guck-in-die-Luft“ nach oben, ohne Aussicht, da hinzukommen! Mir ist klar, dass das seine Gründe hat, wie es mir manche Schritte abseits ausgetretener Pfade sehr schnell zeigten. Außerdem herrschte Lawinenwarnstufe 3, und Steinschlaggefahr ohnehin. Und das Bewandern der vereisten Seen war mir auch nicht so ganz geheuer, ehrlich gesagt.

Schönste Momente?

Aaach, da gab es einige, meist unerwartete: In Verona verließ ich morgens noch im Dunkeln mein Apartment. Keine so große Freude, mit dem Gepäck 1,5 km zum Bahnhof zu laufen…. bis ich an der Hauptverkehrsstraße eine Bar entdeckte, in der trotz der frühen Stunde richtiges Leben herrschte. Ich sofort rein natürlich! Schlagartig wurde es ruhig dort drin. Hier „frühstückte“ die arbeitende Bevölkerung, jeder kannte jeden, keiner kannte mich. ‚Schlechte Karten‘, dachte ich zunächst. Die Patronin hinter der Theke allerdings machte keine Unterschiede zwischen bekannt und fremd: Sie schob zwei gröbere Gesellen auseinander, winkte mich heran, und erwartete meine Bestellung. Mit meinem Cappuccino und einem Croissant setzte ich mich an einen Tisch zur lauten Straße hin, genoss den wieder anschwellenden Redefluss in der Bar und beobachtete die Schulkinder, die in großen Scharen an mir vorüberzogen. Im Ohr hatte ich Joni Mitchells „Free Man in Paris“ – wunderbar.

Andere Highlights: Die warme Sonnenterrasse in Tirano – , mit Blick auf die verschneiten Berggipfel. Oder das sofortige Zusammentreffen mit Hansj, als ich den Aufenthaltsraum des Campingplatzes betrat. Die Unberührtheit der total verschneiten Landschaft, und die ausgesprochene Ruhe überall, mit Ausnahme der „White Turf“-Veranstaltung. Aber dort bin ich ja auch schnell geflüchtet…

Vergleich des Tourismus‘ auf Sylt und im Oberengadin?

Ganz(!) tolles Publikum auf dem Campingplatz. Naturbegeisterte aus allen Altersklassen und sozialen Schichten. Rücksichtsvoll und ruhig, stets freundlich , egal ob in der Männerdusche, im Aufenthaltsraum oder beim Einkauf.

In krassem Kontrast dazu der Bahnhof von St. Moritz, über den die meisten Touristen ins Oberengadin strömen, besonders aus Italien. Das Gewühl dort muss man mögen…

Ansonsten viele Parallelen zu Sylt: Zu viele Menschen an den Hotspots, was sich durch antizyklisches Erscheinen noch abpuffern lässt. Überanstrengtes Personal, das aber deutlich besser bezahlt wird als bei uns. Der Apartmentisierung der Dörfer versuchen die Behörden entgegenzuwirken, aber es gibt auch hier zu viele dunkle Fenster/Häuser  in der Nebensaison. Die touristische Infrastruktur ist durchweg resilienter und spürbar besser organisiert als bei uns. Mir fehlen allerdings konkrete Zahlen – und ich kann nur vermuten, dass Sylt, pro Einwohner gerechnet, mehr Touristen zu verknusen hat als das Oberengadin.

Mit Grüßen aus dem EC 9 von Zürich nach Hamburg, z.Zt. zwischen Bonn und Kölle… überall Jecken auf den Straßen hier.

Kommentare (3)

  1. Karin Lizon

    Lieber Hans,

    leider neigt sich eine akribisch vorbereitete Reise dem Ende zu, wie immer hast du uns im Blog an deinen vielfältigen Impressionen und Erlebnissen auf spannende Weise mitgenommen.
    Tausend Dank ❗

    Liebe Grüße und weiterhin eine gute Fahrt auf deine Insel
    wünscht dir Karin

    Karnevalsflüchtling aus Dü-dorf,
    noch bis Donnerstag auf Sylt

    • Hans Jessel

      Hai Karin, war lecker heute, unser Café Wien – Kuchen, nicht? Und wie fühlte sich das Orgelkonzert danach an…!?
      Grüüüße vom Sofaaaa!

  2. Karin Lizon

    Lieber Hans,
    der lecker Kuchen im
    *Café Wien* ist für jeden Urlauber ein Muss, wenn nur die Qual der Wahl nicht wäre

    Apropo Qual, einige Stühle im Cafe, verursachen auch Qualen, denn gefühlt jeder Sylt Urlauber hat schon auf diesen Teilen gesessen und dementsprechend sind einige davon “durchgesessen”.
    Problem erkannt, Problem gebannt, denn hilfsbereite Bedienung schaffte sofort Abhilfe und tausche meinen Stuhl aus und wir hatten dabei unseren Spaß

    Das Orgelkonzert in St.Severin war ein Genuss, wie auch unser Gedankenaustausch über das Reisen
    Hans, in diesem Sinne wünschen ich dir noch viele wunderbare Touren.

    Herzliche Grüße
    Karin

    Tschüss Sylt, bis zum nächsten Mal.

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