25. März: Eine Radtour in die Vergangenheit

Der fette Seenebel begleitet meinen Zug bis Husum, erst bei der Querung der Eider lichtet sich der Himmel. Erster Sonnenschein beim Umstieg in Heide, und gefühlter Frühling beim Start der Radtour in Meldorf….

Es geht um Vergangenheitsbewältigung heute, und zunächst gönne ich mir die schönen Erinnerungen. Zum Beispiel, wie ich als kleiner Steppke gebannt am Abteilfenster klebte, weil da plötzlich dieses Rohr neben den Gleisen auftauchte:

Das Zugfahren war ja schon Abenteuer genug, aber dieses unendlich lang erscheinende Rohr… zunächst auf der rechten Seite, dann, plötzlich um Untergrund verschwindend…:

… und nach kürzester Zeit an anderer Stelle wieder auftauchend, eigentümliche Schlenker machend…:

Welches Geheimnis mochte dahinter stecken? Warum gab es solch eine unendliche Pipeline nicht auf Sylt!? Was war IN diesem Rohr!?

Mir wurde bereits in Kindheitsjahren klar, dass die Welt voller ungelöster Geheimnisse ist, denen ich mich fortan widmen wollte. Soviel stand fest!

Hier kommt schon eins:

Kurz vor St. Michaelisdonn stoße ich auf die North Sea Cycle Route (rot gepunktet). Hier befindet sich eine der landschaftsgeschichtlich gaaanz spannenden Punkte Schleswig-Holsteins, ist der „Barlter Kleve“ (Kleve = Kliff) doch eine Abbruchkante wie wir sie heute ganz ähnlich am Roten Kliff  auf Sylt sehen, aber hier 7.000 Jahre alt:

 

Damals brandete hier, wo heute die Bahnlinie verläuft, die Nordsee an die eiszeitliche Geest, was eine Schautafel vor Ort verdeutlicht:

Erst die Eindeichungen seit dem Mittelalter sorgten dafür, dass die meerbürtige Landschaft westlich des Klevs dem Einfluss der Nordsee entzogen wurde, deren Küstenlinie (in Form von Deichen) heute glatt 15 Kilometer weiter westlich verläuft.

Logo klettere ich auf eine der höchsten urzeitlichen Dünen hinauf und geniesse den Blick nach Nordwesten über die weite Marschlandschaft:

Herrlich, was Landschaft so zu bieten hat! Nun bin ich gestählt genug, mich den unangenehmen Erinnerungen zu widmen. Ich radelˋ weiter am Geesthang entlang bis zum „Paradiesquellental“ in Burg. Hier findet sich (noch immer) ein ehemaliges Kinderheim, dem ich üble Kindheitserinnerungen (die ich hier besser nicht näher erläutere) zu verdanken habe, vor 61 Jahren. Heute bin ich seitdem das erste Mal wieder hier:

Auf dem Heimgelände angekommen, treffe ich einen alten Mann, der mir bestätigt, dass ich hier richtig bin. Die Erinnerungen verlieren prompt ihre Schwere. Heute entpuppt sich das Anwesen als entzückendes Kleinod in einer pittoresken Landschaft, die mir in Sekunden jeglichen Schrecken nimmt. Die Vergangenheit ist gewesen, ist abgehakt. Schluss damit. Gut, dass ich nun noch einmal hier gewesen bin.

 

  

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