9. Januar: „Die Nacht war schwarz, der Mond schien helle…

… als ein Zug, blitzeschnelle… zunächst von Sylt nach Hamburg fuhr:

Mail an Lars, der z. Zt. auf Lanzarote urlaubt:

„Lars!

Wenn die Scheiben des Zuges nicht so waaahnsinnig verdreckt wären, könnte ich mich über den strahlenden Sonnenschein begeistern, den unsere Heimatinsel zu meiner Abreise gerade ausm Ärmel schüttelt. Als wäre nichts gewesen.
Will sagen: Ich bin unterwegs, und mehr als gespannt, was die Berge mir zu erzählen haben. Der Platz im Koffer ließ noch die Mitnahme von Stativ und kleinem Fotogerötel zu, so dass die werten Blogleser sich nicht über halbgare Handyfotos ärgern müssen. Was tut man nicht alles für die Fans…

In diesem Sinne: Sonnige Grüße ins Kanarische, geschätzter Malermeister!“

Antwortmail von Lars:

“Hans,

hat Dich Europa also wieder- das sagen ja einige Sylter so, wenn sie den Eisenbahndamm in Richtung Festland überqueren. Ich komme erst spät am Abend dazu, Dir zu antworten. Urlaub auf Lanzarote kann anstrengend sein. So wie heute, haben wir doch vormittags den großen Markt in Teguise besucht, der mit mehreren hundert Ständen wirklich seine Bezeichnung verdient. Ein Fest für Augenmenschen! Natürlich hält man auch nach Kunstwerken Ausschau – findet aber nichts. Für 18 Euro ist an einem Stand, bei UliArt, ein kleines Format mit brechender Welle zu haben. Ich entsinne mich der Tunisreise von Macke und Klee (1914) und finde im Netz Aquarelle, die heute auf dem Markt in Teguise entstanden sein könnten. Bilder von großer, zeitloser Qualität!

Ich bin tatsächlich hier, um Urlaub zu machen. Habe Pinsel und Farben zu Hause gelassen, weil ich mittlerweile weiß, dass mich diese urwüchsige Landschaft ganz anders beschenkt. Lanzarote wirkt auf mich wie eine Kraftquelle, die Insel verschließt sich mir aber als künstlerisches Objekt. Eine interessante Erfahrung! Umso mehr bin ich gespannt, was Dir die Berge zu erzählen haben.

Goethe soll übrigens gesagt haben, dass ihn das Studium der Schattenbildungen mehr als alles andere interessiere. Das hat mir Sprotte einmal erzählt. Daran muss ich bisweilen denken, wenn ich aus dem Offensichtlichen nichts ablesen kann. Das ist mir Trost und Ansporn zugleich!

Ich wünsche Dir eine reibungslose Weiterfahrt. Spätestens auf schweizerischer Seite sollte die Bahnfahrt große Freude bereiten!

Lars“

Mail vom Hotel Edelweiss:

“Sehr geehrter Herr Jessel, herzlichen Dank für Ihre Email. Unsere Portiers freuen sich Sie morgen, 09.01.2023 um 17:00 Uhr in St Moritz abzuholen. Wir freuen uns sehr und wünschen Ihnen schon heute eine gute Reise nach Sils Maria.

Freundliche Grüsse Giorgia Galfrascoli, Réception

Hotel Edelweiss****
CH-7514 Sils-Maria

Dank der frühen Zugverbindung erreiche ich – trotz einstündiger Verspätung – die Schweizer Grenze bereits um 11:30 Uhr. Zunächst geht es bis CHUR, von dort mit der Rhätischen Ein-Meter-Schmalspurbahn über die berühmte ALBULALINIE, eine der weltweit spektakulärsten Bahnstrecken, ins Oberengadin. Hier quert mein Zug den „Landwasser-Viadukt“, eine gemauerte Brücke von der Höhe Helgolands, die unmittelbar in einen Felsentunnel führt. Das sieht ja aus wie Modell-Eisenbahn!:

Nur damit Ihr einen Eindruck bekommt, was die Schweizer Ingenieure da Anfang des 19. Jahrhunderts ausgetüftelt haben, deren Problem nicht nur die gewaltig schroffe Landschaft war…:

… sondern im Besonderen die Bezwingung von glatt 800 Höhenmetern auf einer Streckenlänge von gerade einmal 25 Kilometern, was nur durch in Fachkreisen genannte „Streckenverlängerungen“ zu erreichen war.  Kehrtunnel innerhalb der Felsen/Berge, die dazu dienten, die maximal 45 Promille Steigung – mehr geht nicht bei Adhäsionsbahnen – nicht zu überschreiten.

Was das bedeutet, ist einer Aufnahme von der gerade erfolgten „Guinness Buch der Weltrekorde“ – Bahnfahrt Ende Oktober 2022 zu entnehmen:

Was Ihr auf dem aktuellen Cover des Magazins der Rhätischen Bahn seht, ist ein(!) Zug von nahezu zwei Kilometern(!) Länge, der sich zwischen Bergün und Preda durch das Gebirge kämpft. Alles Nähere dann im genannten Magazin, man/frau beachte die Streckenführung:

Ich klebe 90 Minuten lang ausschließlich am (blitzblanken!) Zugfenster und kann nur staunen, wie minutengenau wir die längst zum Weltkulturerbe zählende Abenteuer-Bahnstrecke durchqueren.

Sie endet in St. Moritz, wo der Chauffeur vom  Hotel Edelweiss mich in einer komplett eingeschneiten Winterlandschaft erwartet:

„Aacho“, sagt der Schweizer: Angekommen! Eintausendachthundertundneun Meter über dem Meeresspiegel. Bingo!

 

Kommentar (1)

  1. Titz, karin

    Lieber Hans, dank unseres „zufälligen“ Treffens im Zug nach Irgendwo ( ihr nach Bremen, ich nach Rostock) habe ich endlich wieder auf Deine Website geschaut und fand mich plötzlich nicht nur in der Schweiz wieder, sondern durfte die „Unglaublich-Gebirgsbahn“, den großen Gletscher im Dunst, nebst Hochgebirgsorten und herrlichem Gebäck betrachten. Dazu noch den Briefwechsel meiner Freunde, Lars und Dir, quer durch Europa! Ich bedanke mich bei dir, daran teilhaben zu dürfen. Dir und Silke eine gute Rückfahrt und einen schönen Tagesausklang!
    Happy Birthday und ein schönes neues Lebensjahr, ganz herzlich! Karin

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