Ein Ausstellungsbesuch

Frage: Was wäre eine Tour in die Großstadt wert ohne Besuch einer  Ausstellung von überregionalem Rang!? Richtig: Nicht die Hälfte.

In den lichtdurchfluteten Deichtorhallen zeigt Peter Bialobrzewski – zusammen mit einigen anderen Fotografen – seine neueren Arbeiten zum Thema DIE ZWEITE HEIMAT. Mehrere Jahre ließ er sich dafür durch Deutschland treiben, suchte dabei „Orte und Unorte“ auf, um „eine fotografische Bestandsaufnahme Deutscher Befindlichkeit“ vor zu nehmen… eine alles andere als einfache Intension:

Ihr fragt zu Recht, warum mich das interessieren sollte. Eben deshalb: Bialobrzewski sucht das Gleiche wie der Amerikaner Stephen Shore, der dieses Thema in einem der wichtigsten Bildbände der jüngeren Fotografiegeschichte („Uncommon Places“) als einer der Epigonen der „Urbanen Fotografie“ bereits in den 1970er Jahren beleuchtete. Es ging ihm darum, die jahrzehntelange Klischeeisierung der amerikanischen Landschaft (Unberührtheit, Weite, Pure Schönheit, Romantisierung etc. pp.) zu brechen. Seine Uncommon Places zeigten nun die andere Seite der Wirklichkeit: Industriebrachen, Parkplätze, Müllhalden, Verschmutzung – und allˋ die anderen leckeren Begleiterscheinungen der modernen Zivilisation, die bis dato in der Fotografiekunst schlichtweg „übersehen“ worden waren.

Ich lebe seit fast vier Jahrzehnten von der Klischeeisierung der Sylter Landschaft. Meine Fotografie beschäftigte sich bis vor wenigen Jahren ausschließlich mit dem Thema „Landschaftliche Schönheit“ – aufgenommen für Menschen, die sich ihr Sehnsuchtsziel namens Sylt zuhause an die Wand nageln wollen. Das war/ist aus ökonomischer Sicht erfolgreich, in künstlerischer Hinsicht eher von kärglichem Ertrag. Denn die romantisierende Landschaftsfotografie trägt längst ein melancholisches „Geschmäckle“ mit sich herum, wissen wir doch alle, dass es SO bei kritischer Draufsicht gar nicht mehr aussieht. Sondern nur in Hans Jessels Fotografien, die zu Unzeiten nach akribischter Recherche und denkbar idealsten Lichtverhältnissen Bilder der Insel – Landschaft modellieren, die – mal ehrlich! – fast wie Fake News daher kommen, wenn der Betrachter diese Romantik-Kulissen mal beiseite schiebt und sich in der Bereitschaft übt, die Wirklichkeit zu sehen.

Meine Aufgabe sehe ich nun aktuell darin, das von mir erzeugte, einseitige Bild der Insel zu komplettieren. Und Ausstellungsbesuche wie dieser heutige helfen mir zum Einen, dabei in der Spur zu bleiben, zum Anderen hilft mir dieser Blog, möglichst zeitnah mit den Betrachtern in einen Austausch zu treten. Alles der pure Eigennutz also, hoho.

Deshalb sauge ich die Ausstellung von Peter auf wie ein dehydrierter Schwamm. Und schäume dabei über vor gärenden Ideen, wie dieser künstlerische Ansatz auf die speziellen Sylter Verhältnisse übertragen werden kann. Und fühle mich sauwohl!

 

 

Kommentare (3)

  1. Inken Bechmann

    Hallöchen,
    dieser Blog beiinhaltete ja nun schon eine Menge entromantierte Syltbilder die als urbane Installationen den Blog bereichtert haben.
    Als gebürtige Sylterin freue ich mich sowohl an diesen Bildern, in denen die Realität ihren Schatten auf die Inselidylle wirft, als auch an den typischen Jesselbildern (wo ich erst im Rahmen des Blogs gelernt habe, wieviel akribische Arbeit und Radelei tatsächlich hinter jedem einzelnen Bild steckt!) als auch an denen, bei deren Anblick man sich seufzend zurücklehnen kann und denkt “ach ja…. Heimat”.

    Liebe Grüße aus Hannover

  2. Yvonne Lagoni

    … und nach der Ausstellung wartete lecker Kaffee und Kuchen in der Wigger´schen Atelierstube auf Dich …
    Danke für einen wunderschönen Nachmittag in Gesellschaft zweier Künstler, die ich in meinem Herzen trage.
    Liebste Grüße schickt das Wonnige

    • Hans Jessel

      Meine geschätzte Yvonne, die Blogleser sollen wissen, dass nur zwei Menschen auf dieser Welt WONNI zu Dir sagen dürfen, nämlich Deine Großmutter – und ich. Alles Weitere erzähle ich nur mit Genehmigung – von Dir. Ja, unser Kaffeetrinken schreit bereits jetzt nach Wiederholung. Großer Dank an Lars für alles!

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